Behandelter Abschnitt 3. Mose 12,1-7
Reinheit im Kindbett
Der Mensch, in Sünde empfangen und geboren
Dieser kurze Abschnitt belehrt uns in seiner eigenartigen Weise über eine zweifache Wahrheit, nämlich über den Fall des Menschen und über das Heilmittel Gottes. Die Belehrung ist klar und eindrucksvoll. Sie ist demütigend und ermutigend zugleich. Wenn die Heilige Schrift der Seele durch die Kraft des Heiligen Geistes ausgelegt wird, so führt sie uns aus uns selbst heraus zu Christus. Wo wir auch unsere gefallene Natur sehen und auf welcher Stufe ihrer Geschichte wir sie betrachten mögen, sei es bei ihrer Empfängnis, bei ihrer Geburt oder bei irgendeinem Punkt unseres Lebenslaufs von der Wiege bis zum Grab, stets trägt sie das zweifache Kennzeichen der Hinfälligkeit und der Befleckung an sich.
Diese Tatsache wird oft inmitten des Glanzes des menschlichen Lebens vergessen. Der Geist des Menschen ist reich an Erfindungen, um seinen demütigenden Zustand zu verdecken. Er sucht ihn auf allerlei Weise zu verzieren und zu vergolden und sich den Schein von Kraft und Herrlichkeit zu geben. Aber alle seine Anstrengungen sind vergeblich. Wir brauchen nur daran zu denken, wie der Mensch als ein armseliges, hilfloses Wesen in diese Welt eintritt oder wie er sie verlässt und wieder zu Staub wird, um einen unwiderlegbaren Beweis von der Nichtigkeit seines Stolzes, seiner Eitelkeit und seiner ganzen Herrlichkeit zu haben. Mag sein Weg durch diese Welt auch noch so glänzend und heiter gewesen sein – nackt und hilflos ist er gekommen und inmitten von Krankheit und Tod geht er dahin.
Doch das ist nicht alles. Nicht nur kennzeichnet Hilflosigkeit den Menschen bei dem Eintritt in dieses Leben. Er ist auch unrein und befleckt. „Siehe“, sagt der Psalmist, „in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen“ (Ps 51,7). „Und wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott, und wie könnte ein von einer Frau Geborener rein sein?“ (Hiob 25,4). Das vor uns liegende Kapitel belehrt uns, dass mit der Empfängnis und Geburt eines „männlichen Kindes“ für die Mutter eine siebentägige Unreinheit und überdies noch eine dreiunddreißigtägige Absonderung vom Heiligtum verbunden waren.
Diese beiden Zeiten verdoppelten sich bei der Geburt eines „weiblichen Kindes“. Redet diese Verordnung nicht laut zu unseren Herzen? Liegt hierin nicht eine demütigende Lehre für uns? Verkündet diese Verordnung nicht unzweideutig, dass der Mensch ein unreines Wesen ist und dass er des Sühnungsblutes bedarf, um gereinigt zu werden? Ohne Zweifel. Der Mensch mag sich einbilden, eine eigene Gerechtigkeit aufrichten zu können. Er mag auf die Würde der menschlichen Natur pochen, mag mit stolzer Miene seinen Weg verfolgen. Aber wenn er ein wenig über unser kurzes Kapitel nachsinnen würde, so würden sein Stolz, seine Anmaßung und seine Gerechtigkeit bald spurlos verschwinden, und er würde stattdessen die Grundlage aller wahren Würde und den festen Grund göttlicher Gerechtigkeit in dem Kreuz unseres Herrn Jesus Christus entdecken.
Wir finden den Schatten dieses Kreuzes in unserem Kapitel in zweifacher Weise: zunächst in der Beschneidung des kleinen Jungen, wodurch es als ein Glied des Israel Gottes in die Gemeinde aufgenommen wurde, und dann in dem Brandopfer und Sündopfer, durch die die Mutter von aller Befleckung gereinigt und fähig gemacht wurde, aufs Neue dem Heiligtum zu nahen und mit den heiligen Dingen in Berührung zu treten. „Und wenn die Tage ihrer Reinigung erfüllt sind für einen Sohn oder für eine Tochter, so soll sie ein einjähriges Lamm bringen zum Brandopfer und eine junge Taube oder eine Turteltaube zum Sündopfer an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft zu dem Priester. Und er soll es vor dem Herrn darbringen und Sühnung für sie tun, und sie wird rein sein von ihrem Blutfluss. Das ist das Gesetz der Gebärenden, bei einem männlichen oder bei einem weiblichen Kind“ (V. 6.7).
Der Tod Christi wird uns hier in seinen zwei großen Charakterzügen vor Augen gestellt, und zwar als das einzige Mittel, das der mit der natürlichen Geburt des Menschen verbundenen Befleckung begegnen und sie völlig beseitigen konnte. Bekanntlich stellt das Brandopfer den Tod Christi aus der Sicht Gottes dar, während das Sündopfer mehr das zeigt, was dem Bedürfnis des Sünders entspricht.