Hermanus Cornelis Voorhoeve
Kommentar von Hermanus Cornelis Voorhoeve
2Kor 1,1Kommentar zu 2. Korinther 1,1
Behandelter Abschnitt 2Kor 1
Einleitung
Diesen zweiten Brief an die Korinther schrieb der Apostel unter dem Einfluss der Tröstungen, die ihm von Seiten des Christus zuteil geworden waren. Er lässt seine Gefühle der Liebe und Zuneigung gegen die Korinther ausströmen. Zuerst hatte der Apostel in der großen Drangsal, die in Asien über ihn gekommen war, den Trost und die Ermunterung Jesu reichlich erfahren (Kap. 1); und wenn auch das Gefühl dieses Trostes durch den Mangel an Nachricht aus Korinth ein wenig geschwächt worden war, so wurde es doch durch die Ankunft des Titus, der eine so gute Botschaft von dort brachte, aufs neue erweckt und belebt, so dass er überschwänglich mit Trost und Mut erfüllt wurde (Kap. 7, 4-6). Im Brief selbst kommt er auf seine Leiden in Ephesus zurück und sucht durch die Mitteilung seiner Erfahrungen die geliebten Korinther zu Mitgenossen seiner Freude und seines Trostes zu machen. Bevor wir aber eine allgemeine Übersicht des Briefes geben, wollen wir noch einige Bemerkungen vorausschicken.
Paulus reiste von Ephesus, wo der Aufruhr des Demetrius seiner Wirksamkeit ein Ende gemacht hatte (Apg 19,23), nach Troas. Hier hoffte er den Titus mit Nachricht aus Korinth zu treffen; aber Titus war nicht gekommen, und das Herz des Apostels war besorgt und niedergedrückt, ein schönes Zeugnis seiner innigen Liebe gegen die Korinther. Sein Verlangen, von der geliebten Versammlung etwas zu hören, war so groß, dass er, obwohl ihm in Troas eine Tür im Herrn aufgetan (Kap. 2, 12+13) und er auch für das Evangelium des Christus dorthin gekommen war, dennoch vor Unruhe in seinem Geist nicht dort bleiben konnte, weil er Titus nicht fand. Er reiste nach Mazedonien, um ihm dort zu begegnen. Und wie überschwänglich groß war seine Freude inmitten all der ihn umgebenden Drangsale, als er durch Titus die gute Wirkung seines ersten Briefes vernahm. Das Gewissen der Korinther war aufgewacht und die Furcht Gottes in ihren Herzen, sowie die Lauterkeit in ihrem Wandel wieder hergestellt. Das bekümmerte Herz des Apostels lebte wieder auf, die unterbrochenen Gefühle des Trostes, womit der Herr ihn in seinen Versuchungen in Asien getröstet hatte, wurden in reichem Maß erneuert; alle seine Besorgnisse waren verschwunden. O, wie mannigfach sind die Erfahrungen derer, die Christus dienen und für die Seelen der Seinigen Sorge tragen! Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf den Inhalt der einzelnen Kapitel.
Nach dem gewöhnlichen Gruß (Kap. 1,1+2) bricht der Apostel in Worte des Dankes aus gegen den Vater der Erbarmungen und den Gott alles Trostes, Der ihn in seinen Drangsalen getröstet und ermutigt und ihn dadurch zugleich befähigt hatte, andere in ähnlichen Leiden durch denselben Trost wieder aufzurichten (Verse 3-7). Dann macht er die Korinther mit seinen Drangsalen in Asien und mit seiner Bewahrung in denselben näher bekannt, in der Überzeugung, dass sie jetzt durch Danksagung an seiner Freude teilnehmen würden, wie sie es vorher in der Fürbitte für ihn getan hatten (Verse 8-12). In der zweiten Hälfte des Kapitels (Verse 13-24) sucht er sie über die Änderung seines Entschlusses, sie zu besuchen, zu beruhigen, was ihm zugleich die Veranlassung gibt, von der Sicherheit und der Bestätigung der Verheißungen Gottes in Christus Jesus zu reden, sowie von unserer Befestigung in Ihm, von unserer Salbung und Versiegelung mit dem Heiligen Geist, wodurch wir jener Verheißung teilhaftig sind.
Im zweiten Kapitel gibt er die wahre Ursache seines Nichtkommens an und spricht von der Sorge und dem tiefen Kummer, womit sein Herz beim Schreiben des ersten Briefes erfüllt gewesen war (Verse 1-4). Darnach ermahnt er sie, den ausgeschlossenen und jetzt gedemütigten Bruder wieder aufzunehmen und ist sehr bemüht, auch hierin mit ihnen in völliger Übereinstimmung zu handeln, damit es dem Feind nicht gelinge, durch diesen Vorfall zwischen ihm und der Versammlung eine Trennung hervorzurufen (Verse 5-11). Am Schluss spricht er von seiner Unruhe in Troas, von der Köstlichkeit des von ihm verkündigten Evangeliums und von seiner Lauterkeit in der Offenbarung desselben (Verse 12-17).
Die letzte Bemerkung gibt dem Apostel Anlass, im 3. Kapitel eine Erklärung über das Evangelium im Gegensatz zum Gesetz zu geben, welches die falschen Lehrer mit jenem zu vermengen suchten. Er gibt diese Erklärung mit einer höchst rührenden Berufung auf das Herz der Korinther, die durch sein Mittel bekehrt worden waren (Verse 1-5). Er spricht dann von der Herrlichkeit des Dienstes des Neuen Bundes, im Gegensatz zu dem des Alten (Verse 6-18).
Im 4. Kapitel fährt der Apostel fort, von seinem Dienst zu reden, und zwar in Verbindung mit seinen Leiden, indem er zeigt, dass diese Lehre von Christus, dem Überwinder des Todes, wenn sie wirklich in unserm Herzen aufgenommen wird, uns als Sieger über alle Furcht des Todes und über alle Leiden und Versuchungen dieser Zeit hervorgehen lässt (Verse 1-12). Zugleich bekennt er von sich selbst, dass er Vertrauen genug habe, um der Träger dieses Zeugnisses Gottes und der Wahrheit zu sein (Verse 13-15), und ermuntert schließlich alle, mit Gewissheit an der Herrlichkeit teilzunehmen (Verse 16-18).
Im 5. Kapitel sehen wir, dass die Macht des Lebens in Christo, als verherrlicht, fähig genug ist, uns plötzlich - sogar ohne durch den Tod zu gehen - von allem Sterblichen zu befreien und in die Herrlichkeit zu versetzen (Verse 1-4). Zugleich ist durch die Kraft des Heiligen Geistes im Herzen eine lebendige und praktische Hoffnung vorhanden, die durch den Glauben hienieden verwirklicht wird (Verse 5-8). In Verbindung hiermit erinnert der Apostel an den Richterstuhl des Christus und an die Notwendigkeit für alle, vor demselben offenbart zu werden; und dieser Gedanke bringt in seinem Herzen die Wirkung hervor, selbst mit Eifer Gott wohlgefällig zu wandeln und andern mit einer feierlichen Energie die von ihm gekannte und im Tod des Christus offenbarte Liebe zu verkündigen (Verse 9-15). Dann zeigt er das Resultat des Todes und der Auferstehung des Christus, wodurch die Gläubigen, ohne weder sich noch andere nach dem Fleisch zu kennen, in eine neue Sphäre, in eine neue Schöpfung versetzt sind (Verse 16-17), und spricht zuletzt von seiner Gesandtschaft für Christus, von Dem er den Dienst der Versöhnung empfangen hatte (Verse 18-21).
Indem nun der Apostel durch den Geist dieses köstliche Werk fortsetzt, ermahnt er in Kapitel 6 die Korinther, dass sie die ihnen dargereichte Gnade nicht möchten vergeblich empfangen haben (Verse 1- 2), erinnert sie dann an die Art und Weise, worin er unter den mannigfachsten und schwierigsten Umständen seinen Dienst fortgesetzt hat (Verse 3-10), und benutzt zugleich das innige Verhältnis zu ihnen, sie zu ermahnen, den gesegneten Platz, an den Gott sie gestellt hat, durch wahre Absonderung zu bewahren und in ihrem ganzen Wandel darzustellen (Verse 11-18). Unsere Verwandtschaft mit Gott fordert aber nicht nur unsere Trennung von der Welt, sondern zugleich eine Reinigung von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes (Kap. 7, 1).
Der Apostel kommt nun in Kap. 7 auf das durch seinen Dienst gebildete innige Verhältnis zwischen ihm und den Korinthern zurück und sucht es aufs neue zu beleben und zu befestigen, indem sein Herz sich über alles öffnet, was er in Betreff ihres Zustandes gefühlt hat, und ist zugleich bemüht, alle die Wunden zu heilen, die durch seinen ersten Brief geschlagen worden sind (Verse 2-9). Er ist sehr erfreut, die Frucht jener göttlichen Traurigkeit zu sehen, die sich in einem heiligen Eifer gegen die Sünde und in der Verwerfung aller Verbindung mit ihr offenbarte (Verse 10-16).
In den beiden folgenden Kapiteln (Kap. 8 und 9) ermahnt der Apostel auf eine zarte und sehr ermunternde Weise die Korinther, für die bedürftigen Heiligen in Jerusalem eine Kollekte zu bereiten.
In Kapitel 10 kommt er dann auf seinen frühern Gegenstand zurück, spricht von der Echtheit seines Apostelamtes und der damit verbundenen Autorität, die er an denen zu betätigen gedenkt, die sie in Frage stellen, sobald einmal der Gehorsam derer, die zu hören bereit waren, befestigt worden war (Verse 1-11). Darnach stellt er das Betragen jener ins Licht, die sich in fremder Arbeit rühmten, und ebenso sein eigenes Verhalten in seinem Dienst. Er war beflissen, Christus zu predigen, wo Sein Name nicht bekannt war, und spricht die Hoffnung aus, seinen Wirkungskreis bis über die Korinther hinaus zu erweitern (Verse 12-18).
Er fährt dann in Kapitel 11, weil er mit Gottes Eifer um die Korinther eifert, (Verse 1-3), in seinen Beweisen gegen die falschen Lehrer fort, rechtfertigt seinen kostenfreien Dienst unter den Korinthern, den jene als Lieblosigkeit gegen sie zu deuten suchten (Verse 4-15), und bittet die Korinther, ihn ein wenig zu ertragen, indem er wegen des Einflusses der falschen Lehrer wider seinen Willen genötigt war, wie ein Tor zu handeln und von sich selbst zu reden (Verse 16-29). Am Schluss des Kapitels erklärt er, sich nur seiner Schwachheit rühmen zu wollen (Verse 30-33).
Im 12. Kapitel haben wir den Christen in seinem höchsten und in seinem niedrigsten Zustand. Wir sehen hier deutlich, dass die hohen Offenbarungen nicht der Beweis seiner Kraft sind. Das Fleisch bleibt Fleisch, und Gott muss ihm entgegentreten, um jenen vor Hochmut zu bewahren (Verse 1-8). Dann finden wir hier die praktische Kraft des Dienstes und die Quelle dieser Kraft (Verse 9-10). Darnach kommt der Apostel aufs neue auf die Bestätigung seines Apostelamtes und auf sein Verhalten unter ihnen zurück (Verse 11-19) und spricht schließlich die Befürchtung aus, dass seine Gegenwart, wegen des schlechten Zustandes etlicher, Züchtigung und Demütigung mit sich bringen werde (Verse 20-21).
Er versichert endlich in Kapitel 13, dass er zum dritten Male im Begriff sei, zu ihnen zu kommen und jede Sache ohne Schonung zu prüfen (Verse 1-2), und beendigt dann die Frage über seinen Dienst durch die Darstellung einer Tatsache, welche die Korinther ganz und gar in Verlegenheit bringen musste. Wenn nämlich Christus nicht durch ihn gesprochen hatte, so lebte Er auch nicht in ihnen, denn er war das Mittel ihrer Bekehrung gewesen (Verse 3-5). Zugleich zeigt er, wie sehr er ihre Vervollkommnung wünscht, und wie wenig er geneigt ist, von seiner apostolischen Gewalt Gebrauch zu machen (Verse 6-10). Er schließt dann den Brief mit einer kurzen Ermahnung und herzlichem Segenswunsch.
Kapitel 1
Paulus wendet sich als ein durch den Willen Gottes berufener Apostel zum zweiten Male an die Versammlung zu Korinth, sowie an alle Heiligen, die in Achaja wohnten, von welcher Provinz Korinth die Hauptstadt war (Vers 1).
Er hat in diesem zweiten Brief nicht nötig, wie im ersten, damit zu beginnen, die Korinther an ihre Berufung und ihre Vorrechte als „Geheiligte in Christus Jesus“ zu erinnern, weil die Heiligkeit jetzt vorhanden war. Der erste Brief hatte jene heilsame Wirkung, wozu der Apostel ihn unter der Leitung des Heiligen Geistes bestimmt hatte, hervorgebracht. Das Gewissen der Korinther war aufgeweckt, und ihr Eifer gegen das Böse wieder erwacht. Dies ist immer das gesegnete Resultat, wenn das Gewissen eines nachlässigen oder gefallenen Christen durch die Wirksamkeit des Geistes in Wahrheit erreicht wird. Und sobald die Heiligkeit des Wandels hervorgebracht ist, erfreut sich das Herz in Gott und ist für Seine Liebe und Seine Ermunterung geöffnet und empfänglich. So war es bei den Korinthern. Der Apostel konnte jetzt von Gott, von der Offenbarung Seiner Gnade und Liebe mit ihnen reden, und zugleich seine durch den Heiligen Geist gewirkten Gefühle gegen sie frei ausströmen lassen. Und diese Gefühle treten so einfach und wahr bei dem Apostel hervor, dass jedes einfältige Auge sie gleich als ein Werk des Geistes in seinem Herzen erkennt. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott alles Trostes, Der uns tröstet in all unserer Drangsal, damit wir die trösten können, die in allerlei Drangsal sind, durch den Trost, mit welchem wir selbst von Gott getröstet werden, weil, gleichwie die Leiden des Christus gegen uns überschwänglich sind, also auch durch den Christus unser Trost überschwänglich ist. Es sei aber wir werden bedrängt, so ist es um eures Trostes und Heiles willen, das bewirkt wird im Ausharren in denselben Leiden, die auch wir leiden, (und unsere Hoffnung für euch ist fest), es sei wir werden getröstet, so ist es um eures Trostes und Heiles willen, indem wir wissen, dass, gleichwie ihr der Leiden teilhaftig seid, also auch des Trostes“ (Verse 3-7).
Zuerst erhebt sich das Herz des Apostels voll Lob und Dank zu dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus und erkennt Ihn an als die Quelle der Erbarmungen und den Urheber alles Trostes. Auf diese Weise werden sich stets die Gefühle eines Herzens kundgeben, das in wahrer Abhängigkeit von Gott und in Seiner Gegenwart wandelt. Der Apostel dankt Ihm für den reichen Trost, der ihm in all seiner Drangsal zuteil geworden ist; aber dann wendet sich sein Herz sogleich zu der Versammlung. Er weiß, welch einen gesegneten Platz sie in dem Herzen Gottes einnimmt, wie innig sie mit Christus verbunden ist. An sich selbst denkt er nicht, weder in seinen Leiden, noch in seinen Tröstungen. Christus und die Versammlung sind der stete Gegenstand seines Herzens. Seine Verherrlichung und ihre Wohlfahrt sind der leitende Gedanke und der bleibende Zweck in all seinen Mühen und Schwierigkeiten. Er ist zufrieden zu leiden, wenn er nur weiß, dass dadurch die Geliebten Gottes in Korinth in ihren Leiden getröstet und ermutigt und in dem von Gott verordneten Pfade befestigt werden. Er lässt denselben Trost, womit Gott zuerst sein eigenes Herz in seinen Leiden aufgerichtet hatte, in ihre Herzen ausströmen. Die erfahrenen Tröstungen in den mannigfachen Versuchungen machten ihn fähig, auch andere in ähnlichen Versuchungen zu ermuntern und zu erfreuen.
Zugleich haben wir Gelegenheit, die Langmut Gottes zu bewundern. Inmitten der Leiden für Christus hatten die Korinther an einer Sünde teilgenommen, die Seinen Namen auf eine traurige Weise verunehrte - an einer Sünde, die selbst unter den Nationen nicht stattfand. Dennoch hatte ihnen Gott Seine Gnade nicht entzogen. Er ließ sie an jenen Leiden teilnehmen, welche die Echtheit ihres Christentums bezeugten. Und diese Leiden gaben dem Apostel die Versicherung, dass sie sich, wie groß auch ihre Schwachheit gewesen sein mochte, an demselben Trost des Christus erfreuen würden, womit auch sein Herz getröstet worden war. Und er kannte diesen Trost, er hatte dessen Tiefe und Wirklichkeit erfahren, er wusste, dass er von Gott kam und ein Zeichen Seiner Gunst war. Auch erweckte das Böse in der korinthischen Versammlung kein Misstrauen in seinem Herzen über das vorhandene Gute, sondern er schloss vielmehr aus diesem, dass jenes weggetan war. So handelt die Gnade immer; und diese Gnade erfüllte das Herz des Paulus, weil er Christus, der Quelle aller Gnade und Kraft, nahe war. Der Trost aber, den Paulus erfahren hatte, stand im Verhältnis zu seinen Leiden. Waren die Leiden des Christus überschwänglich, so waren es auch die Tröstungen durch den Christus. Sie werden die Leiden des Christus genannt, um ihren Charakter zu bezeichnen.
Es waren dieselben Leiden, die Christus selbst während Seines Wandels und Zeugnisses hienieden erfahren hatte die Leiden um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen. Alle Erfahrungen aber, seien es Leiden oder Tröstungen, die dem Apostel und seinen Mitarbeitern zuteil wurden, dienten zum Besten der Versammlung. Waren sie in Bedrängnis, so wurden andere dadurch getröstet und ermutigt, indem diese sahen, dass jene, die von Gott geehrt waren, sich in denselben Leiden befanden. Und darin ausharrend, wurde das Bewusstsein der Übereinstimmung in derselben gesegneten Sache und die darin erfahrene Gemeinschaft mit Gott zu einem reichen Trost und Segen für sie. Waren sie getröstet, so war es ebenfalls zum Trost und Heil anderer, indem diese in ihren eigenen Bedrängnissen Mitgenossen desselben Trostes wurden. Köstliches Band der Gnade! Jene Leiden der Korinther dienten dazu, in dem Herzen des Apostels die Liebe zu ihnen und das Vertrauen zu ihrer Aufrichtigkeit aufs neue zu beleben und zu erfrischen; sie überzeugten ihn davon, dass Gott noch mit ihnen war, und versicherten ihn zugleich, dass sie auch Teilhaber des Trostes sein würden.
Nachdem nun der Apostel seine Gefühle auf diese Weise hatte ausströmen lassen, macht er sie mit den von ihm durchlebten Drangsalen selbst bekannt, indem er sowohl in Betreff seiner Leiden, als auch der darin erfahrenen Tröstungen, auf ihre Teilnahme rechnet. „Denn wir wollen nicht, dass ihr unkundig seid, Brüder, was unsere Drangsal betrifft, die uns in Asien widerfahren ist, dass wir übermäßig beschwert wurden über Vermögen, so dass wir selbst am Leben verzweifelten“ (Vers 8).
Diese Gelegenheit brachte das bestimmte Bewusstsein von dem, was Leben und Tod ist, vor die Seele des Apostels. Für das menschliche Auge blieb kein Ausweg, für das natürliche Leben keine Hoffnung mehr. Wie aber fand ihn diese Versuchung? Mit dem „Urteil des Todes“ in seinem Herzen. „Wir selbst aber hatten das Urteil des Todes in uns selbst, damit unser Vertrauen nicht auf uns selbst wäre, sondern auf Gott, Der die Toten auferweckt“ (Vers 9). Mit diesen Worten drückt der Apostel nicht so sehr die Größe seiner Leiden aus, sondern berührt vielmehr den Hauptgedanken einer Wahrheit, die in den folgenden Kapiteln dieses Briefes auf eine so klare und ausführliche Weise dargestellt wird. Paulus trug das Kreuz des Christus, das Urteil des Todes stets in seinem Herzen. Er hielt sich „selbst für tot und Gott lebend in Christus Jesus, unserm Herrn.“ Nahm man ihm das äußere Leben, so nahm man ihm nichts; denn er war schon mit Christus gekreuzigt. Wenn der Tod einen Menschen findet, bei dem das natürliche Leben nicht mehr in Betracht kommt, so nimmt er ihm nur das, was bereits weggenommen ist. Das Vertrauen des Apostels blieb stets auf den Gott gerichtet, der die Toten auferweckt; und die Kraft des Lebens des Christus erfüllte so ganz seine Seele, dass alles, was dem alten Menschen angehörte, für ihn praktisch verschwunden war. Aber Gott, Der die Toten auferweckt, ist zugleich der Retter aus Todesgefahren; „Welcher uns von so großem Tod errettet hat und errettet, auf welchen wir unsere Hoffnung gesetzt haben, dass Er uns auch ferner erretten werde“ (Vers 10), d. h. aus den noch vorhandenen Gefahren.
Die Korinther hatten durch ihre Gebete ihre Teilnahme an den Drangsalen des Apostels bewiesen und waren durch dieselben zu seiner Rettung behilflich gewesen. Paulus bekennt so gern, dass er ihr Schuldner ist. Selbst die durch ihn offenbar gewordenen Gaben bezeichnet er zum Teil als eine Frucht ihrer Gebete, und weil es so war, so musste auch sein Erfolg am Evangelium ihr eigenes Interesse sein und daher auch jetzt durch die Danksagung vieler zur Verherrlichung Gottes ausschlagen;„indem auch ihr durch das Flehen für uns mitwirkt, damit für die mittelst vieler Personen uns verliehene Gnadengabe durch viele für uns Danksagung dargebracht werde“ (Vers 11).
Aus dem bisher Gesagten sehen wir deutlich, dass der Apostel von der Aufrichtigkeit ihrer Demütigung überzeugt war. Der erste Brief hatte ihr Gewissen erreicht; das Böse war aus ihrer Mitte beseitigt. Der Apostel konnte jetzt, wie wir gesehen haben, den Gefühlen seines Herzens gegen sie freien Lauf lassen. Er spricht von seinen Drangsalen und den ihrigen und macht sie zu Mitgenossen seines Trostes; er rechnet auf ihr Interesse an seinen Leiden und seinen Freuden und spricht von ihrer Mitwirkung durch ihre Gebete und von ihrer Danksagung zur Verherrlichung Gottes - kurz, er offenbart die innige Gemeinschaft, in der sie zu ihm und dem Werk des Christus standen. Und in diesem Vertrauen setzt er seine Mitteilungen fort. Gab es auch noch etliche in Korinth, die den Apostel nicht anerkennen wollten, so erklärt er hier auf eine ganz feierliche Weise, dass er das Bewusstsein mit sich umhertrage, in ungeheuchelter Lauterkeit seinen Verkehr in der Welt, und namentlich unter ihnen, gehabt zu haben. „Denn unser Rühmen ist dieses: das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir in Einfalt und Lauterkeit Gottes, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes unsern Verkehr in der Welt gehabt haben, am meisten aber bei euch“ (Vers 12). Und aus dieser Ursache konnte er auch auf ihre Gebete Anspruch machen. Die Beschuldigung, dass der Inhalt seiner Briefe nicht der Ausdruck seines Herzens sei, entkräftet der Apostel dadurch, dass er sagt:
„Denn wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr kennt oder auch anerkennt“ (Vers 13), d. h. wir verhehlen unsere Meinung nicht. Das Geschriebene war in völliger Übereinstimmung mit dem, was sie auch mündlich unter ihnen gelehrt hatten und was von ihnen anerkannt worden war. Und er fügt hinzu: „Ich hoffe aber, dass ihr es auch bis ans Ende anerkennen werdet“, dass eure Gesinnung sich nicht ändern wird. Und so wie die meisten unter ihnen den Apostel und seine Mitarbeiter, im Blick auf ihr lauteres Verhalten und ihre Anerkennung von Seiten Gottes, für ihren Ruhm hielten, so waren auch sie selbst der Ruhm des Apostels am Tag des Christus (Vers 14). Sie waren durch das Wort der Wahrheit von ihm gezeugt, und er hoffte auf ihre Bewährung. Und in diesem Vertrauen war es seine Absicht gewesen, zu ihnen zu kommen, um ihre Herzen zu ermuntern und im Glauben zu befestigen. Er hatte sie sogar einer doppelten Gnade teilhaftig machen wollen, indem er sie sowohl auf seiner Hinreise nach Mazedonien, wo er augenblicklich war, als auch auf seiner Rückreise von dort zu besuchen gedachte - ein deutlicher Beweis seiner Liebe gegen sie und wie gern er unter ihnen war (Verse 15-16). Er hatte aber später sein Vorhaben aufgegeben und war deshalb von etlichen beschuldigt worden, dass er in Betreff seiner Vorsätze leichtfertig und fleischlich handle.
Bisher nun hatte der Apostel über die Beweggründe seiner Handlungsweise geschwiegen, weil sie es nicht zu ertragen vermochten; jetzt aber war ihr Zustand derart, dass er frei darüber reden konnte. Nur die Liebe zu ihnen hatte ihn geleitet, nicht zu kommen; und nur die Liebe leitete ihn jetzt, ihnen sein Herz zu öffnen, ihnen die Beweggründe seiner Handlungsweise zu offenbaren und ihr Gewissen darüber zu beruhigen. Zugleich aber bewahrt er seine Freiheit in Christus. Er war ihr Diener in der Liebe; aber er war frei und nur Christus verantwortlich. Er war Herr seiner Handlungsweise, aber in der Unterwürfigkeit des Christus. Und diese Unterwürfigkeit, sowie die Liebe zu ihnen, hatten ihn geleitet, so zu handeln, wie er getan hatte. Wir sehen hier, wie er auf der einen Seite seine Autorität wahrt und auf der andern seine Liebe und Zärtlichkeit offenbart. Beides war nötig. Bei ihrer moralischen Schlaffheit bedurften sie mit aller Zärtlichkeit und Sorgfalt behandelt zu werden, damit sie nicht störrisch wurden; aber zugleich musste die Autorität aufrecht erhalten werden, damit sie nicht durch Einräumen zu großer Freiheit auf schlechte Wege gerieten.
Paulus hatte also nicht in Leichtfertigkeit gehandelt und dem Fleisch nach den Vorsatz gefasst, die Korinther zu besuchen, um ihn nachher ebenso leichtfertig wieder aufzugeben (Vers 17), sondern die Liebe war es, die ihn bewogen hatte, den Besuch aufzuschieben. Es war ihm ein unerträglicher Gedanke, zu denen, die er liebte, mit der Rute kommen zu müssen. Seine Handlungsweise war also nicht die Folge seines Wankelmuts, nicht ein fleischliches Ja-ja und Nein-nein, sondern war voll Gewissheit und Sicherheit.
Paulus aber bleibt nicht lange bei sich selbst stehen. Er ist so sehr von dem Heil erfüllt, und sein Herz so ganz mit Christus beschäftigt, dass er das Wort über die Festigkeit seiner eigenen Grundsätze sofort abbricht und zu der Festigkeit der Wahrheit Gottes übergeht. Er zeigt die sichere Grundlage des Christentums und stellt die großen Grundsätze der christlichen Freude und Gewissheit dar. Zuerst erinnert er an die Treue Gottes, Der das unter den Korinthern verkündigte Wort nicht ungewiss, nicht zwiespältig - „nicht Ja und Nein“ - hatte sein lassen. „Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, Der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, wurde nicht Ja und Nein, sondern es ist Ja in Ihm“ (Vers 19). In Christus war und ist völlige Gewissheit. So wie Er unter ihnen verkündigt worden war, so blieb es unbeweglich fest. Es war nicht erst Ja und dann Nein, sondern das Ja blieb immer Ja. Gott hat das in Christus bestätigt und gewiss gemacht, wozu Seine Macht und Weisheit, ja Seine ganze Vollkommenheit erforderlich war. „Denn so viele der Verheißungen Gottes sind, in Ihm ist das Ja und in Ihm das Amen, Gott zur Herrlichkeit durch uns. Der uns aber mit euch befestigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott, Der uns auch versiegelt und das Pfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat“ (Verse 20-22).
In diesen Versen gibt es zwei Punkte von großer Wichtigkeit: die Bestätigung aller Verheißungen in Christus, und unser Genuss an der Wirkung dieser Verheißungen. Es handelt sich hier nicht um die Wahrheit, dass Gott Verheißungen gemacht hat, sondern um die Gewissheit der Erfüllung der von Gott gegebenen Verheißungen und um die Tatsache, dass Gott Seine Verheißungen nicht ändert. Gott hatte Verheißungen gegeben, dem Abraham ohne Bedingung und Israel mit Bedingung; aber in Christus waren nicht bloß Verheißungen gegeben, sondern in Ihm ist das Amen der Verheißungen, die Erfüllung und Verwirklichung derselben. „Denn so viele der Verheißungen Gottes sind . . . “
Mit diesen Worten fasst der Apostel alles zusammen: die Vergebung der Sünden, das ewige Leben, die Gerechtigkeit, die Gabe des Heiligen Geistes, die Herrlichkeit - kurz, alles ist in Christus erschienen. In Ihm hat Gott alle Seine Verheißungen bestätigt, „in Ihm ist das Ja und das Amen.“ Unter dem Gesetz konnte die Erfüllung der Verheißungen nicht erlangt werden, weil da vom Menschen etwas gefordert wird. Die Verheißungen waren mit Bedingung; das Gesetz forderte die Gerechtigkeit des Menschen, und diese fehlte. Trotz aller Anstrengung erlangte der Sünder die verheißene Sache nicht; das Ja und Amen blieb aus. Es ist unmöglich, irgendeine Wirkung der Verheißungen außer Christus zu haben. Alles, was Gott verheißen hat, ist in Ihm und wird in Ihm allein empfangen, ja, in Ihm besitzen wir alles.
Wir finden hier aber noch mehr. Die Gläubigen sind der Gegenstand der Ratschlüsse Gottes, deren Offenbarung in den Verheißungen enthalten ist. Das Ziel und der Hauptpunkt dieser Ratschlüsse aber ist die Herrlichkeit, die Ehre Gottes - ja, die Herrlichkeit Dessen, der sich in Seinen Wegen unumschränkter Gnade an uns verherrlicht hat; denn in diesen Wegen hat Er offenbart und dargestellt, was Er ist. Deshalb ist die Erfüllung und Verwirklichung Tatsache - „das Ja und das Amen“ - der Verheißungen „zur Herrlichkeit Gottes durch uns in Christus.“
Hiermit kommen wir zum zweiten Teil der Gnadenwege Gottes; zur Herrlichkeit Gottes „durch uns“. Es handelt sich jetzt um den Genuss dieser Verheißungen. Christus ist alles, und alles ist in Ihm; aber auch wir sind in Christus, nicht nach der Schwachheit und Unbeständigkeit des menschlichen Willens, sondern nach dem Willen Gottes. „Der uns aber mit euch befestigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott“ (Vers 21). Die Erfüllung aller Verheißungen ist in Christus, und wir sind durch Gott in Ihm befestigt, so dass wir in Ihm alles, was Gott uns verheißen hat, mit Sicherheit besitzen. Der Apostel spricht hier von dem Weg, auf dem wir durch die Macht Gottes in Seine Gegenwart gebracht sind, d. h. in die Stellung, in welche die Macht Gottes uns nach Seinem Ratschluss einführte. Doch nicht allein das, sondern wir sind auch durch Gott gesalbt worden; wir haben durch Jesus den Heiligen Geist empfangen. Durch diese Salbung des Geistes sind wir fähig gemacht, das zu verstehen, was uns in Christus gegeben ist. Der Heilige Geist ist uns aber nicht allein zur Erkenntnis der Gaben in Christus gegeben, sondern Gott hat uns auch durch denselben Sein Siegel aufgedrückt, ebenso wie Christus, als Gott Selbst Ihn bei Seiner Taufe durch Johannes im Jordan salbte. Durch dieses Siegel sind wir für Gott abgesondert, für Ihn beiseite gestellt. Endlich aber ist der Geist, mit Dem wir versiegelt sind, in unsern Herzen das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit, das Unterpfand alles dessen, was wir nachher in und mit Christus besitzen sollen.
Wir haben hier also drei Offenbarungen des Heiligen Geistes: Wir sind gesalbt, um die Gedanken Gottes und die Dinge, die in der Herrlichkeit unser Teil sind, zu verstehen; wir sind in Betreff unserer Person mit dem Siegel Gottes gezeichnet, um jetzt schon, als abgesondert von der Welt, zu genießen, was uns in Christus Jesus gegeben ist; und wir haben den Geist als Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit in unsern Herzen. Alles ist so vollkommen sicher und gewiss, weil es in Christus ist. Gott hat dafür gesorgt, dass keine Ungewissheit mehr da sei; Er lässt uns schon jetzt von diesen herrlichen Dingen genießen und hat uns auch hinsichtlich des völligen Genusses und Besitzes fest und gewiss gemacht.