Behandelter Abschnitt Psalm 7
Ist eine Anrufung Jehovas aufgrund des gerechten, ja, selbst mehr als gerechten Verhaltens der Heiligen gegen ihre Feinde: Jehova möge aufstehen und erwachen zu dem Gericht, das Er befohlen hat, damit durch die Rettung des Überrestes mittels des Gerichts die Schar der Völkerschaften der Erde Ihn umringe! Dann wird Er die Völker richten. Das zukünftige Gericht wird hier also in bestimmter Weise dargestellt. Doch noch ein anderer Punkt wird hervorgehoben: der Herr richtet (oder beurteilt) den Gerechten; wenn aber ein Mensch nicht umkehrt, sondern in seiner Gesetzlosigkeit vorangeht, so wird Sein Zorn ihn verfolgen.
In diesem allem sehen wir, wie Sich der Geist Christi mit dem jüdischen Überrest verbindet, und in gewissen Beziehungen können wir Christum Selbst entdecken, wie Er durch die Umstände hindurchgeht, die Ihn befähigten, in diejenigen des Überrestes in Wahrheit einzutreten; denn wir haben gesehen, dass ihre Wirkung auf Seine eigene Seele niemals dieselbe ist wie bei dem Überrest. Es handelt sich hier nicht um Seine Geschichte, sondern um Seine Teilnahme an dem Überrest, und es gibt zwei Grundsätze, die Christum auf der Erde und den Überrest in den letzten Tagen miteinander verbinden: einerseits führt Er die Heiligen in Gnade in die Stellung ein, die Er auf der Erde einnahm10, und andererseits trat Er in die ihrige ein. Die Gerechten haben der Natur und den Grundsätzen ihres Lebens nach die Gefühle des Geistes Christi, so wie dieser Geist sie in ihnen ihrem Zustande gemäß hervorrufen würde. Ihre Bitten sind der Ausdruck davon; und Gott billigt ihre Forderungen (obschon sie selbst kein klares Verständnis darüber haben), indem Er ihnen in den Psalmen die Ausdrücke dafür darreicht. Was sich kundgibt, ist ein Bedürfnis und zugleich ein Begehren, das durch das Leben in ihnen vor dem Herzen Dessen Gültigkeit hat, der die durch Christum gelegte Segensgrundlage in Rechnung bringen kann, so dass Seine Nachsicht gerechtfertigt erscheint, obschon die Gerechtigkeit hinsichtlich der Juden noch nicht offenbart ist. Ihre Kenntnis von dem, was Jehova ist und immer war, sei es im Blick auf ihre Lauterkeit oder ihre Unterdrückung seitens der Feinde, lässt sie eine Errettung erwarten, die unmöglich zu sein scheint11.
Ehe wir weitergehen, möchte ich noch auf einen kurzen, aber beachtenswerten Ausdruck hinweisen; es ist die Frage: „bis wann?“ die wir in Psalm 4,2; 6,3 und anderswo finden. Sie drückt die Glaubenserwartung des Überrestes aus. Gott kann Sein Volk nicht für immer verstoßen: bis wann wird Er so mit ihm handeln, als wenn Er es verstoßen hätte, und Sich um die Unterdrückung nicht kümmern? Daher wird auch an einer anderen Stelle (Ps 74,9) gesagt: „Keiner ist bei uns, welcher weiß bis wann.“
Als Ganzes betrachtet, geben uns die bisher besprochenen Psalmen also eine allgemeine Darstellung von dem Zustand des Überrestes der Juden vor Gott in den letzten Tagen, sowie von den Grundsätzen, auf denen sie als Gerechte stehen; jedoch finden wir hier noch nicht die starken Ergüsse ihrer Gefühle unter dem schweren Druck der Drangsale. Ist denn Christus fern von ihnen allen? Gewiss nicht, sonst würden die Psalmen nicht da sein. Christus trat durch Sein Mitgefühl in ihre Lage ein, Er bildet darin den Glauben ihrer Herzen durch Seinen Geist und befindet Sich so auf die beste Weise mit ihnen in ihrem niedrigen Zustand. Seine eigenen persönlichen Gefühle, während Er hienieden war, kommen in diesen Psalmen nicht zum Ausdruck12, obschon Er - kostbare Wahrheit! - durch Seine eigenen Leiden in ähnlichen Umständen gelernt hat, „den Müden durch ein Wort aufzurichten“ (Jes 50,4).
10 Vergleiche z. B. Mt 17,24-27. Diese Stelle könnte nun gewissermaßen als ein Vorausempfang zukünftiger Segnungen betrachtet werden; aber doch offenbarte der Herr den Seinigen den Namen des Vaters.↩︎
11 Die Verse 22-24 in 3. Mose 9 zeigen uns dies in treffender Weise. Die Annahme des Opfers durch Gott war nicht eher ersichtlich, bis Mose und Aaron (Christus als Priester und König) aus dem Zelte der Zusammenkunft, das sie miteinander betreten hatten, herausgekommen waren (V. 24). Dann betete das Volk an. Aber Aaron hatte vorher, in Verbindung mit der Darbietung des Sündopfers usw., das Volk gesegnet. Wir wissen heute durch das Kommen des Heiligen Geistes, dass das Opfer angenommen ist; Er ist aus dem Heiligtum hervorgetreten, während der Priester noch innerhalb des Vorhangs weilt. Infolgedessen kennen wir den vollen Wert der göttlichen Gerechtigkeit.↩︎
12 Damit will ich nicht sagen, dass dies in keinem der Psalmen geschehe (Ps 22 beweist deutlich das Gegenteil), auch nicht, dass in Psalmen, die nicht ganz von Ihm handeln, keine Stelle zu finden sei, die Gefühle, die Er hatte, zum Ausdruck bringe. Ich habe im Laufe dieser Betrachtungen schon mehrere derselben angeführt und den Grundsatz, nach dem sie anzuwenden sind, besprochen. Ich rede hier nur von den Psalmen, mit denen wir gerade beschäftigt sind: Psalm 3-7.↩︎