Behandelter Abschnitt Heb 8,1-13
Wir kommen nun zu Kapitel 8. Es beginnt mit den Worten: „Die Summe dessen aber, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch.” Welche erhabenen Worte! Was für Herrlichkeiten waren es, die die Himmel in den Tagen der Schöpfung erfüllten? Die Sonne, der Mond und die Sterne wurden von Gott „an die Ausdehnung des Himmels” gesetzt (1. Mose 1,17). So hat Gottes eigener Finger „die gegenwärtigen Himmel” geschmückt. Und erglänzen sie nicht heute noch in diesem ihnen von Gott verliehenen Schmuck? Aber wenn Gottes Finger die äußeren sichtbaren Himmel mit Herrlichkeiten geschmückt hat, so hat Seine Gnade die inneren Himmel mit Herrlichkeiten bekleidet. Eine dieser Herrlichkeiten ist die Hütte, die der Herr dort errichtet hat. Christus kam aus dem Schoß des Vaters herab, um Gott auf dieser Erde zu verherrlichen. Könnte es eine Herrlichkeit geben, die zu brillant wäre, um einen solchen Christus mit ihr zu bekleiden?
Welch einen Verkehr sehen wir hier zwischen Gott uns Seinem Christus, zwischen dem Vater und dem Sohn! Und unter den Herrlichkeiten, die Ihn droben erwarteten, befand sich ein Tempel, der durch den Herrn Selbst errichtet worden ist. Bei der Schöpfung hat Gott der Sonne in den Himmeln ein Zelt gesetzt (Psalm 19). Bei der Erlösung hat Er eine Hütte für den Hohenpriester errichtet; und Christus sitzt dort an der Stätte höchster Ehren. Christus konnte hinieden kein Priester sein. Der Platz war nach göttlicher Anordnung besetzt. Man hat törichterweise gesagt, Christus hätte nicht in das Allerheiligste einrteten können. Gewiß konnte Er das nicht, weil Er aus dem Stamm Juda war. Zudem war Er nicht gekommen, um Gottes Anordnungen zu verändern, sondern um alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Was hätte Er auch im Allerheiligsten tun sollen? Wenn ein Priester aus dem Stamm Levi Ihn dort gefunden hätte, so wäre er berechtigt gewesen, Ihn hinauszuweisen. Der Sohn Gottes hatte sicherlich ein Recht auf alles, aber Er war in Unterwürfigkeit gekommen als ein Diener, der Sich Selbst entäußert hatte. Drängte Er Sich den beiden Jüngern von Emmaus auf? Noch viel weniger wollte Er, der aus dem Stamm Juda war, in die Wohnung Gottes eindringen.
Stehen wir hier einen Augenblick still. In diesem Brief muß uns unwillkürlich eine Sache auffallen; es ist diese:
Vom Anfang bis zum Ende nimmt der Geist Gottes einen herrlichen Gegenstand nach dem anderen und setzt ihn beiseite, um Raum für Christus zu machen, und wenn Er dann Raum für Christus gemacht und Ihn eingeführt hat, so prägt Er Sein Bild in unverwischbaren Zügen in unser Herz. Alles verschwindet, nur Christus bleibt. So verhält es sich ja auch im Blick auf uns. Hat Gott uns nicht beiseitegesetzt und Christus an unserer Stelle eingeführt? Der Glaube beugt sich anbetend davor nieder. Ja, Gott hat das mit jeder gläubigen Seele getan.
Doch betrachten wir ein wenig jene einzelnen Gegenstände. In Kapitel 1 werden die Engel beiseitegesetzt. „Zu welchem der Engel hat er je gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße?” O wie der Glaube diesem Ausspruch zustimmt! Und wie die Engel ihm zustimmen! Dann wird Mose beiseitegesetzt. „Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause als Diener . . . Christus aber als Sohn über Sein Haus” (Kapitel 3,5.6). Wir können wohl Moses hinter uns lassen, wenn wir Christus dafür erhalten haben, gerade so wie der arme Kämmerer in Apostelgeschichte 8 von Philippus scheiden konnte, weil er Jesus gefunden hatte. In Kapitel 4 kommen wir zu Josua. Doch auch er wurde beiseitegesetzt. „Denn wenn Josua sie in die Ruhe gebracht hätte, so würde er danach nicht von einem anderen Tag geredet haben.” Christus tritt als der wahrhaftige Josua vor uns, der uns wirkliche Ruhe gibt. Dann wird Aaron beiseitegesetzt, um das Priestertum Christi an seine Stelle treten zu lassen; und dieses Priestertum ist ein ewigwährendes. Auch ist Er der Verwalter (Mittler) eines besseren Bundes. Der alte Bund wird hinweggetan, weil er nur ein Schatten war; Christus hatte ihm nichts hinzuzufügen. Und so geht es weiter, bis wir am Schluß die herrlichen Worte lesen, die als der Schlüsseltext des Briefes gelten könnten: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit”. Wenn Er eingeführt wird, so kann es nur in diesem Charakter sein, als „Derselbe in Ewigkeit”.
Wie herrlich ist es, daran zu denken, daß Gott unseren hochgelobten Herrn eingeführt hat, um durch Ihn alles andere hinwegzutun! Das ist wahre Vollkommenheit; denn Gott hat in Ihm Seinen Ruheort gefunden. Wie Gott vor alters nach der Schöpfung geruht hat, so ruht Er jetzt in Christus, und das ist eine vollkommene Ruhe, die nie wieder gestört werden kann. Und wenn wir, du und ich, wirklich verstehen, wohin wir gebracht sind, so atmen wir die Atmosphäre der Vollkommenheit, wir genießen ein für ewig vollbrachtes Werk, den wahren Sabbath der Ruhe.
Kein Teil der Schrift, dürfen wir wohl sagen, enthält eine solche Fülle der herrlichsten Glanzpunkte wie der Brief an die Hebräer. Er berichtet von unbeschreiblichen und unvergleichlichen Herrlichkeiten und ist von unschätzbarem Wert für das Gewissen des aus seinem Schlaf erwachten Sünders. In ihm atmen wir gleichsam die Luft des Himmels selbst; und es ist das Vorrecht der glaubenden Seele, das zu tun. Wenn ich es nicht tue, sollte ich mir dann mein Vorrecht aus dem Grund verdunkeln, weil meine Erfahrung noch so arm und schwach ist?
Am Schluß des 8. Kapitels wird, wie bereits bemerkt, der erste Bund beiseite gesetzt. Der Bund, dessen Diener Christus ist, kann nie veralten. Er wird gekennzeichnet durch die Worte: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken”. Auf dem Antlitz dieses Bundes zeigt sich keine Runzel, über seiner Stirn kein graues Haar.
Wie schon früher einmal gesagt, gibt der Herr allem, was Er berührt, vor Gott eine ewige, unveränderliche Gestalt; allem, was Er in die Hand nimmt, verleiht Er Vollkommenheit. Alles räumt Ihm die Stelle ein; aber es gibt nichts, vor dem Er jemals wieder den Platz räumen müßte. Möchten wir es anders haben? Wünschte nicht Johannes der Täufer, daß es so sein möchte? Als seine Jünger kamen und zu ihm sagten: „Rabbi, der jenseits des Jordan bei dir war, dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu ihm”, da antwortete er: „Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der da steht und ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muß wachsen, ich aber abnehmen” (Joh 3,26-30). Das sollte auch der unwillkürliche Ausdruck deines und meines Herzens sein. Und sicher, wenn wir der Wirksamkeit des Geistes in unseren Herzen Raum geben, so werden auch wir jubelnd sagen: „Gott sei ewig gepriesen! Er hat mich beiseitegesetzt, um Christus einzuführen”. So besteht also eine wunderbare Übereinstimmung zwischen dem, was wir hier gefunden haben und der Erfahrung unserer eigenen Seelen. Ja, wir werden mit diesen Herrlichkeiten nie zu Ende kommen, bis wir uns über kurz oder lang in einem Meer verlieren, in einem Meer ohne Ufer, in unermeßlichen Fluten, denen keine Küste Schranken setzt.