Ich bin der Mann, der Elend erlebt hat durch die Rute seines (d.h. des göttlichen) Zornes;
mich hat er geführt und getrieben in Finsternis und tiefes Dunkel;
nur (oder: ja) gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand Tag für Tag!
Mein Fleisch und meine Haut hat er hinschwinden lassen, meine Glieder zerschlagen;
aufgetürmt hat er rings um mich Gift (= Unheil) und Mühsal;
in Finsternis hat er mich versenkt wie die ewig Toten.
Er hat mich ummauert, dass ich keinen Ausweg habe, mich mit schweren Ketten beladen;
ob ich auch schreie und rufe: er verschließt sich meinem Flehen.
Er hat meine Wege mit Quadersteinen vermauert, meine Pfade ungangbar gemacht.
Ein lauernder Bär ist er mir gewesen, ein Löwe im Versteck.
Er hat mich auf Irrwegen wandeln lassen und mich zerfleischt, mich verstört (= einsam gemacht);
er hat seinen Bogen gespannt und mich als Zielscheibe hingestellt für seine Pfeile,
hat die Söhne (= den Inhalt) seines Köchers mir ins Herz dringen lassen.
Meinem ganzen Volk bin ich zum Hohn geworden, ihr Spottlied den ganzen Tag;
mit Bitternissen hat er mich gesättigt, mit Wermut mich getränkt.
Meine Zähne hat er mich an Kieseln zerbeißen lassen, mich in den Staub niedergetreten (oder: in die Asche niedergedrückt).
Du hast meiner Seele den Frieden entrissen, so dass ich verlernt habe, glücklich zu sein,
und ausrufe: „Dahin ist meine Lebenskraft und verloren meine Hoffnung (oder: mein Vertrauen) auf den HERRN!“
Gedenke meines Elends und meiner Irrsale, des Wermuts und des Gifts!
Ohne Unterlass denkt meine Seele daran und ist gebeugt in mir.
Dies will ich mir zu Herzen nehmen und darum der Hoffnung leben:
Die Gnadenerweisungen des HERRN sind noch nicht erschöpft, sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende;
alle Morgen sind sie neu, groß ist deine Treue.
„Der HERR ist mein Teil!“ bekennt meine Seele; drum will ich auf ihn hoffen.
Gütig ist der HERR gegen die, welche auf ihn harren, gegen ein Herz, das ihn sucht.
Gut ist es, geduldig zu sein und schweigend zu warten auf die Hilfe des HERRN.
Gut ist es für jeden, das Joch schon in seiner Jugend tragen zu lernen;
er sitze einsam und schweige, wenn (oder: weil) der HERR es ihm auferlegt!
Er neige seinen Mund in den Staub hinab: vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden;
er biete ihm, wenn er ihn schlägt, die Wange dar, lasse sich mit Schmach sättigen!
Denn nicht auf ewig verstößt der HERR,
sondern, wenn er Trübsal verhängt hat, erbarmt er sich auch wieder nach seiner großen Güte;
denn nicht aus Lust plagt und betrübt er die Menschenkinder.
Wenn man mit Füßen niedertritt alle Gefangenen der Erde (oder: des Landes),
wenn man das Recht eines Mannes beugt vor den Augen des Höchsten,
wenn man einen Menschen in seinem Rechtsstreit (oder: vor Gericht) ins Unrecht setzt: sollte das der Herr nicht beachten?
Wer kann denn befehlen, dass etwas geschehe, ohne dass der Herr es geboten hat?
Geht nicht aus dem Munde des Höchsten das Glück wie das Unglück hervor?
Was klagt (also) der Mensch, solange er lebt? Ein jeder klage über seine Sünden!
Lasst uns unsern Wandel prüfen und erforschen und zum HERRN umkehren!
Lasst uns unser Herz mitsamt den Händen erheben zu Gott im Himmel!
Wir sind es, die abtrünnig und ungehorsam gewesen sind; du aber hast nicht verziehen,
hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt, hingerafft ohne Schonung;
du hast dich in Gewölk gehüllt, so dass kein Gebet hindurchdringen konnte;
zu Kehricht und zum Abscheu hast du uns gemacht inmitten der Völker.
Es haben den Mund gegen uns aufgerissen all unsere Feinde;
Grauen und Grube sind uns zuteil geworden, Verwüstung und Untergang!
Wasserbäche lässt mein Auge rinnen über die Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.
Mein Auge ergießt sich ruhelos in Tränen ohne Aufhören,
bis (oder: damit endlich) der HERR vom Himmel herniederschaue und dareinsehe.
Was ich sehen muss, versetzt mich in Trauer um aller Töchter meiner Stadt willen.
Ach! Wie einen Vogel haben die mich gejagt, die mir ohne Ursache feind sind;
sie haben mich in die Grube gestoßen, um mein Leben zu vernichten, und haben Steine auf mich geworfen:
die Wasser schlugen mir über dem Haupt zusammen; ich dachte: „Mit mir ist’s aus!“
Da rief ich deinen Namen an, HERR, tief unten aus der Grube,
und du hast mich gehört, als ich zu dir flehte: „Verschließ dein Ohr nicht meinem Hilferuf!“
Du hast dich mir genaht, als ich dich anrief, hast mir zugerufen: „Fürchte dich nicht!“
Du, o HERR, hast meine Sache geführt, hast mein Leben gerettet;
du, o HERR, hast meine Unbill (oder: Unterdrückung) gesehen: verhilf mir zu meinem Recht!
Du hast all ihre Rachgier gesehen, all ihre Anschläge gegen mich,
hast, o HERR, ihr Schmähen gehört, all ihre Anschläge gegen mich,
das Gerede meiner Widersacher und ihre täglichen Ränke gegen mich.
Gib acht auf ihr Sitzen und ihr Aufstehen (= ihr ganzes Tun und Gebaren): ihr Spottlied bin ich!
Du wirst ihnen vergelten, HERR, wie ihre Taten es verdienen,
wirst ihnen Verblendung ins Herz geben: dein Fluch komme über sie!
Du wirst sie im Zorn verfolgen und sie vertilgen unter Gottes (= deinem) Himmel hinweg!
Querverweise zu Klagelieder 3,54 Klgl 3,54
Die Wogen des Todes hatten mich umringt, und die Ströme des Unheils schreckten mich;
und ausrufe: „Dahin ist meine Lebenskraft und verloren meine Hoffnung (oder: mein Vertrauen) auf den HERRN!“
Dem Musikmeister, nach (der Singweise = Melodie) „Lilien“, von David. Hilf mir, o Gott, denn die Wasser gehen mir bis ans Leben!
Meine Tage sind abgelaufen, meine Pläne vereitelt, die Bestrebungen meines Herzens!
Die Nacht wollen sie zum Tage machen: das Licht soll mir näher sein als die Finsternis!
Wenn ich schon das Totenreich als meine Behausung erwarte, in der Finsternis mir mein Lager schon ausgebreitet habe,
wenn ich dem Grabe bereits zugerufen habe: ‚Mein Vater bist du!‘ und dem Gewürm: ‚Meine Mutter und meine Schwester!‘ –
wo ist da noch eine Hoffnung für mich? Ja, eine Hoffnung für mich – wer mag sie erschauen?
Zu den Riegeln (= Toren, Pforten) des Totenreichs fährt sie (die Hoffnung) hinab, wenn zugleich (für den Leib) im Staube (= Grabe) Ruhe sein wird.“
Ich versinke im tiefen Schlamm, wo kein Grund ist; in Wassertiefen bin ich geraten, und die Flut überströmt mich.
Ich zwar hatte gedacht in meiner Verzagtheit, ich sei verstoßen fern von deinen Augen; doch du hast mein lautes Flehen gehört, als ich zu dir rief.
Lass die Wasserflut mich nicht überströmen und die Tiefe (oder: den Strudel) mich nicht verschlingen und den Abgrund seinen Schlund nicht über mir schließen!
„Ich dachte schon: ‚Im Mittag meines Lebens muss ich eingehen in die Pforten des Totenreiches, bin des Restes meiner Jahre beraubt.‘
Ich dachte schon: ‚Nicht werde ich mehr den HERRN schauen, den HERRN im Lande der Lebenden, werde keine Menschen mehr erblicken bei den Bewohnern der Totenwelt (oder: der Welt).
Meine Wohnung ist abgebrochen und wandert von mir weg wie ein Hirtenzelt; wie ein Weber habe ich mein Leben zusammengewickelt: vom Trummgarn schneidet er mich (d.h. mein Lebensgewebe) ab; ehe noch der Tag zum Abend wird, machst du es aus mit mir.
Beschwichtige ich mein Herz bis zum Morgen, so zermalmt er wie ein Löwe alle meine Gebeine; ja ehe noch der Tag zum Abend wird, machst du es aus mit mir.‘
dann hätten die Wasser uns überflutet, ein Wildbach hätte sich über uns ergossen;
Hierauf sagte er zu mir: „Menschensohn, diese Gebeine hier sind das ganze Haus Israel. Siehe, sie sagen jetzt: ‚Verdorrt sind unsere Gebeine, und geschwunden ist unsere Hoffnung: es ist aus mit uns!‘
dann wären über uns hingegangen die wildwogenden (oder: überwallenden) Fluten.“
Wir möchten euch nämlich, liebe Brüder, über die Trübsal, die uns in der Provinz Asien betroffen hat, nicht in Unkenntnis lassen, dass nämlich das Leid so übergewaltig, so unerträglich schwer auf uns gelastet hat, dass wir sogar unser Leben verloren gaben;
ja, wir selber hatten es schon für ausgemacht gehalten, dass wir sterben müssten; wir sollten eben lernen, unser Vertrauen nicht auf uns selbst zu setzen, sondern auf den Gott, der die Toten auferweckt.
Er hat uns denn auch aus einer so großen Todesgefahr errettet und wird uns auch fernerhin erretten; auf ihn setzen wir unsere Hoffnung, dass er uns auch in Zukunft erretten wird,
Denn du hattest mich in die Tiefe geschleudert, mitten ins Meer hinein, so dass die Fluten mich umschlossen; alle deine Wogen und Wellen fuhren über mich dahin.
Schon dachte ich: ‚Verstoßen bin ich, hinweg von deinem Angesicht: wie könnte ich je wieder nach deinem heiligen Tempel schauen?‘
Die Wasser umgaben mich und gingen mir bis an die Seele (oder: ans Leben); die Tiefe (oder: Flut) umfing mich, Seegras hatte sich mir ums Haupt geschlungen;