Behandelter Abschnitt Neh 3,33 - 4,17
Der siebenfache Widerstand (1)
Gottes Werk ruft immer Widerstand hervor. Wenn irgendeine andere Mauer, nur nicht die Jerusalems, gebaut worden wäre, so hätte sich der Feind darum nicht gekümmert. Doch das natürliche Herz, was sein Glaubensbekenntnis auch immer sein mag, verabscheut das, was von Gott ist. Die Wiedererlangung und Aufrechterhaltung dessen, was in Gottes Augen recht ist, stellt das Verkehrte bloß. Das Licht macht alles offenbar (Eph 5,13), und die Menschen können es nicht ertragen, bloßgestellt und verurteilt zu werden. Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott (Röm 8,7).
Es ist schon von anderen darauf hingewiesen worden, dass der Widerstand gegen den Wiederaufbau der Mauer Jerusalems siebenfacher Art war. Dies zu beachten, ist voll Belehrung für uns, denn es ist ein Bild von dem, was Christen zu erwarten haben, wenn sie, der Herrlichkeit Gottes getreu, in Absonderung wandeln wollen, und bewirkt, dass wir auf unserer Hut sind:
Die erste Wirkung auf den Feind war Verdruss (Neh 2,10);
die zweite war Hohngelächter und die falsche Anklage der Empörung wider den König (Neh 2,19);
die dritte war Zorn, große Entrüstung und Spott (Neh 3,33);
die vierte war Verschwörung und Kampf (Neh 4,2);
die fünfte war der unheilvolle Plan, sich außerhalb der Mauer zu vereinigen (Neh 6,1-3);
die sechste war ein offener unterschriftsloser Brief voll falscher Beschuldigungen (Neh 6,5-9); und
die siebte war, durch Bestechung die Erbauer in Furcht zu setzen (Neh 6,10-14).
Das Heer Samarias befand sich in einem Lager außerhalb der Mauern Jerusalems (Neh 3,34), und in ihm waren Moabiter, Ammoniter, Asdoditer und andere (Neh 2,10; 3,34). Sie alle waren eines Sinnes: Gottes Werk Einhalt zu tun. In diesem Lager, außerhalb der Mauer, war nichts als Feindschaft gegen die Juden drinnen; aber durch die Treue Nehemias und anderer, die sich fortwährend im Gebet zu Gott wandten, wurde jede Anstrengung, das Werk zu hindern, vereitelt.
Der erste Widerstand – Nehemia 2,10
Das Erste, was der Feind tat, war, wie bereits bemerkt, dass es Sanballat und Tobija sehr verdross, dass ein Mensch gekommen war, das Wohl der Kinder Israel zu suchen (Neh 2,10). Obgleich ihnen Nehemias Vorhaben noch nicht bekannt war, so war den Nachkommen Lots doch das Wohl des Samens Abrahams eine Quelle außerordentlichen Verdrusses.
So ist es auch heute noch. Wenn ein wahrer und treuer Diener des Herrn an irgendeinem Ort versucht, das Banner der Wahrheit zu entfalten, so sind die religiösen Bekenner – obwohl sie das gesegnete Verlangen, das Gott in dessen Herz gegeben hat, nicht kennen– sofort auf der Hut, und es verdrießt sie gar sehr; sie scheinen das als einen Eingriff in ihre Vorrechte zu betrachten. Das Licht und die Wahrheit stellen sofort die herrschende Finsternis bloß, und alsbald beginnt sich die natürliche Feindschaft des Verstandes und Herzens zu zeigen. Das Lager der Christenheit liebt die ihm obwaltende Unordnung, und der Stolz und die amtliche Stellung seiner Führer werden dadurch angetastet. Sie sagen: Weshalb so viel Aufhebens machen um des Wohles so weniger willen? Sind wir denn nicht alle Christen? – Und so sind die lediglich getauften, äußeren Bekenner des Christentums (mit denen sich leider, ach so viele wahre Kinder Gottes einsmachen) vom Ersten bis zum Letzten der wahren Kirche Gottes entgegen. Dieses Mischvolk, das dem Heer Samarias gleicht, hasst das wahre Zeugnis der Kinder Gottes, und ihr außerordentlicher Verdruss offenbart sich dann auf mannigfache Weise.
Der zweite Widerstand – Nehemia 2,19
Als nun Sanballat, Tobija und Geschem, der Araber, es hörten, dass Nehemia, trotz des großen Verdrusses, den er ihnen bereitete, die Juden ermutigt hatte, die Mauer zu bauen, spotteten sie über die Juden und verachteten sie und sprachen: „Was ist das für eine Sache, die ihr tun wollt? Wollt ihr euch gegen den König empören?“ (Neh 2,19).
Es ist nicht leicht, Spott und Hohngelächter zu ertragen und von den Gottlosen verachtet zu werden; doch Nehemia und seine Gefährten hatten die Kosten überschlagen, ihre sofortige Zuflucht war Gott. Größer als alle, die hätten gegen sie sein können, war der, der für sie war. Der Glaube blickt auf Gott und nicht auf den Feind. Dieser mag mächtig sein, aber Gott ist allmächtig. „Er ist weisen Herzens und stark an Kraft: Wer hat sich gegen ihn verhärtet und ist unversehrt geblieben?“ (Hiob 9,4).
Die Heilige Schrift warnt uns in 2. Petrus 3,3 vor den Spöttern der letzten Tage; es gibt heute viele solche. Stolze Führer verlachen und verachten oft das Werk wahrer Diener Gottes und betrachten sie als Empörer wider den König, den sie als das Haupt der Kirche sowohl als des Staates ansehen. – Das eine wahre Haupt ist Christus , und es ist keine Empörung, Ihm untertan zu sein; in der Heiligen Schrift wird kein anderes Haupt anerkannt. Ein Leib mit zwei Häuptern ist etwas Widernatürliches. Die wahren Empörer sind die, die sich dem Herrn nicht unterwerfen; der Tag der Zukunft wird es offenbar machen. Doch wenn Diener des Herrn mit Ihm wandeln und wirken, so wird Er sie unterstützen, und ihr Werk wird Fortschritte machen; sie werden dem Hohn und Spott in dem edlen und langmütigen Geist ihres Meisters entgegentreten und ruhig ihren Pfad gehen; sie werden mit dem Apostel sagen: „Ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben“ (Apg 20,24.)
Die Verächter sagen: „Was ist das für eine Sache, die ihr tun wollt?“ – Wir tun Gottes Werk; wir suchen in Abhängigkeit von Ihm alles das aufrechtzuerhalten, was Er in den Seelen seines Volkes hat wiederaufleben lassen, auf dass solche da sind, die seine verheißene Wiederkehr erwarten und hierzu in sittlicher Hinsicht den Wünschen seines Herzens entsprechen und sich um der Herrlichkeit seines großen Namens willen von all dem Bösen der bekennenden Kirche wie auch der Welt abgesondert haben.
Der dritte Widerstand – Nehemia 3,33-35
Neh 3,33-35: Und es geschah, als Sanballat hörte, dass wir die Mauer bauten, da wurde er zornig und ärgerte sich sehr. Und er spottete über die Juden und sprach vor seinen Brüdern und dem Heer von Samaria und sagte: Was machen die ohnmächtigen Juden? Wird man es ihnen zulassen? Werden sie opfern? Werden sie es an diesem Tag vollenden? Werden sie die Steine aus den Schutthaufen wiederbeleben, da sie doch verbrannt sind? Und Tobija, der Ammomiter, stand neben ihm und sprach: Was sie auch bauen – wenn ein Fuchs hinaufsteige, so würde er ihre steinerne Mauer auseinanderreißen!
Als der Bau der Mauer fortschritt, wurden die Feinde mit Zorn und Entrüstung erfüllt, und sie fuhren fort zu spotten; und außerdem versuchten sie, ihre Brüder und das ganze Heer von Samaria wider die Erbauer aufzureizen. Zuerst riefen sie: „Was machen die ohnmächtigen Juden? Wird man es ihnen zulassen?“ – Wenn sie wirklich so ohnmächtig waren, wie sie sagten, weshalb dann solche Aufregung über ihr Tun? – Und dann stellen sie drei Fragen: „Werden sie opfern? Werden sie es an diesem Tag vollenden? Werden sie die Steine aus den Schutthaufen wiederbeleben?“ – Weshalb sollten sie nicht opfern? Taten das die Samariter nicht auch? Und opferten die Moabiter und Ammoniter nicht auch ihren Göttern? – Jawohl, aber die Opfer der Juden galten dem wahren Gott, dem HERRN, und ihre fleischlichen Herzen waren in Feindschaft gegen Ihn. – Warum sollten sie das Werk nicht vollenden und die Steine aus den Schutthaufen wieder hervorbringen? – Darauf konnten die Feinde, wenn man sie gefragt hätte, vielleicht selbst keine befriedigende Antwort geben; doch der wahre Grund war: Es war Gottes Mauer, es waren deren Steine! Das war gering, den Zorn derer im Lager von Samaria zu erregen. – Und weshalb war es weiter nötig, sich darüber zu beunruhigen, das Werk als ein so schweres Ärgernis hinzustellen und das ganze Heer wider die Bauenden aufzureizen, wenn es, wie Tobija in seiner Torheit sagte, sogar ein Fuchs, der hinaufstiege, niederreißen konnte? – Nein, nein, Tobija, weder alle Füchse von Samaria, noch alle die menschlichen Füchse des Heerlagers von Samaria konnten auch nur einen einzigen Stein der Mauer niederreißen.
Diese Geschichte wiederholt sich immer wieder. Inmitten vieler Schwierigkeiten fahren heutzutage Gottes Diener fort, die Mauer zu bauen; viele sind darüber ungehalten und entrüstet, und viele spotten mit der Zunge und der Feder; kurz, es werden viele Anstrengungen gemacht, diese schwachen Christen zu verachten. Dennoch macht das Werk Fortschritte und wird sie auch fernerhin machen, solange der Geist Gottes hier auf Erden wohnt. – Die Feinde sagen: Werden sie opfern? Sind nicht die Formen des Gottesdienstes in den Kirchen der Christenheit völlig genügend? Was wollen sie denn noch mehr? – Die Antwort ist: „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“ (Apg 5,29). Es handelt sich um die Beantwortung der Frage: Soll Gott in Geist und Wahrheit angebetet werden (Joh 4,20)? Soll sein Volk geistliche Schlachtopfer darbringen, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus? (1Pet 2,5) oder soll die göttliche Ordnung außer Acht gelassen und sollen dafür die Vorschriften oder Satzungen eines Mischvolkes in einem religiösen Lager anerkannt oder befolgt werden? Auf solche Fragen kann das Herz eines aufrichtigen Christen sicherlich nicht mit der rechten Antwort zögern. „Werden sie es an diesem Tag vollenden? Werden sie die Steine aus den Schutthaufen wiederbeleben, da sie doch verbrannt sind?“ – Der Schutt kommt für uns nicht in Betracht; solcher Schutthaufen gibt es unzählige, das ist jedem klar, der Augen hat zu sehen – wir können uns ruhig von ihnen wegwenden, es hat keinen Zweck, sich mit ihnen zu beschäftigen. Doch es ist von höchster Bedeutung, mit dem Bau der Mauer fortzufahren und die Steine wiederzuerlangen. Wie wir gesehen haben, ist die Mauer ein Bild, ein Bild von der Wahrheit, die auf dem Spiel steht. Es ist von ungemeiner Wichtigkeit, dass Seelen die Kraft der Wahrheit so an sich erfahren, dass ein für Christus von der Welt und ihren Befleckungen, ihrer Eitelkeit, Religion und ihren Lüsten abgesondertes Volk vorhanden ist; und das erweist sich mächtiger als alle menschliche Schlauheit: Kein Fuchs kann die ewige Wahrheit Gottes zu Fall bringen.