Behandelter Abschnitt Mt 24,33-34
Der Feigenbaum ist das bekannte Symbol der jüdischen Nationalität. Wir haben ihn in Matthäus 21 gesehen, wie er nichts als Blätter trug – jenes Geschlecht, das dem Fluch der ewigen Fruchtlosigkeit preisgegeben ist, was auch immer die Gnade für die kommende Generation tun mag. In Lukas 21 heißt es: „Seht den Feigenbaum und alle Bäume“ (V. 29), weil der Heilige Geist durchgängig und besonders in diesem Kapitel die Heiden einführt. Lukas nimmt einen größeren Rahmen ein als Matthäus und behandelt ausdrücklich die Leiden Jerusalems im Zusammenhang mit „den Zeiten der Nationen.“ Daher auch der Unterschied in den illustrierenden Bildern. Hier ist es der Baum, mit erneuerten Lebenszeichen: die jüdische Nationalität wiederbelebt:
Ebenso auch ihr, wenn ihr dies alles seht, so erkennt, dass es nahe an der Tür ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist (24,33.34).
Das Ende dieses Zeitalters und der Beginn des nächsten unter dem Messias und dem neuen Bund sind nahe. Aber ernst warnt der Heiland, dass „dieses Geschlecht“, dieses Christus ablehnende Volk in Israel, nicht vergehen wird, bis alle diese Dinge erfüllt sind!
Die Vorstellung, dass alles in der vergangenen Belagerung Jerusalems erfüllt wurde, die auf einem engen und unbiblischen Sinn dieser Stelle beruht, kommt daher, dass man nicht hört, was der Herr zu den Jüngern sagt. Mit dem Begriff „Generation“ in einer Genealogie (wie in Mt 1) oder dort, wo es der Zusammenhang erfordert (wie in Lk 1,50), ist zweifellos eine Lebenszeit gemeint: aber wo wird er so in den prophetischen Schriften – den Psalmen und so weiter– verwendet? Die Bedeutung ist hier eher moralisch als chronologisch, wie zum Beispiel in Psalm 12,8: „Du, Herr, wirst sie bewahren, wirst sie behüten vor diesem Geschlecht bis in Ewigkeit.“ Die Worte „in Ewigkeit“ beweisen eine anhaltende Kraft; und dementsprechend deutet die Stelle an, dass der Herr die Frommen vor ihren gesetzlosen Unterdrückern bewahren wird, „vor diesem Geschlecht in Ewigkeit“. Das ist eine eindeutige und schlüssige Widerlegung derer, die diesen Satz auf die kurze Zeitspanne eines Menschenlebens beschränken wollen. In 5. Mose 32,5.20 finden wir, dass „Generation“ in ähnlicher Weise verwendet wird, nicht um einen Zeitraum zu beschreiben, sondern um die moralischen Eigenschaften Israels auszudrücken. Auch in den Psalmen haben wir „das künftige Geschlecht“, das sich nicht auf einen bloßen Zeitraum von dreißig oder hundert Jahren beschränkt. So auch in Sprüche 30,11-14: „Ein Geschlecht, das seinem Vater flucht und seine Mutter nicht segnet; ein Geschlecht, das rein ist in seinen Augen und doch nicht gewaschen von seinem Unflat; ein Geschlecht – wie stolz sind seine Augen, und seine Wimpern erheben sich! – ein Geschlecht, dessen Zähne Schwerter sind und Messer sein Gebiss, um wegzufressen die Elenden von der Erde und die Armen aus der Menschen Mitte!“Hier wird der Charakter bestimmter Klassen betrachtet.
Noch deutlicher, wenn möglich, ist der Gebrauch in den synoptischen Evangelien. So heißt es in Matthäus 11,16: „Wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen?“; hier sind solche gemeint, die damals lebten und durch die moralische Willkür gekennzeichnet waren, die sie in Gegensatz zu Gottes Zeugnis setzte, was immer es auch sein mochte, in Gerechtigkeit oder in Gnade. Aber obwohl in erster Linie die damals lebenden Menschen im Blick sind, könnte sich die moralische Identität der gleichen Merkmale auf unbestimmte Zeit erstrecken, und so würde es von Zeitalter zu Zeitalter immer noch „dieses Geschlecht“ sein. Vergleiche dazu Matthäus 12,39.41.42.45, wobei der letzte Vers die Einheit der „Generation“ in ihrem endgültigen Gericht (noch nicht erschöpft) mit derjenigen zeigt, die aus der babylonischen Gefangenschaft hervorging. Beachte auch Kapitel 23,36: „Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht kommen“– ein Geschlecht, das fortbestehen würde, bis sich alle Gerichtsvorhersagen, die Christus ausgesprochen hat, erfüllen würden (Mt 24,34). Da es aus dem, was bereits gezeigt wurde, klar ist, dass noch viel zu vollenden ist, besteht „dieses Geschlecht“ noch und wird auch bestehen, bis alles vorbei ist.