Behandelter Abschnitt Dan 5,2-4
Es war eine Szene prächtiger und vielleicht ungewohnter Ausschweifungen. Der gotteslästerliche König befahl, als der Wein ihm schmeckte, dass man die goldenen und die silbernen Gefäße herbeibrächte, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel in Jerusalem weggenommen hatte, damit der König und seine Gewaltigen, seine Frauen und seine Nebenfrauen daraus tränken. Dann brachte man die goldenen Gefäße, die man aus dem Tempel des Hauses Gottes in Jerusalem weggenommen hatte; und der König und seine Gewaltigen, seine Frauen und seine Nebenfrauen tranken daraus. Sie tranken Wein und rühmten die Götter aus Gold und Silber, aus Kupfer, Eisen, Holz und Stein (5,2–4).
Die Geschichte mag uns sagen, dass es ein jährliches Fest war, bei dem der Zügellosigkeit freien Lauf gelassen wurde und dass so eine günstige Gelegenheit für den Belagerer geschaffen wurde, einen unbewachten Moment zu nutzen und sein gewaltiges Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Schrift zeigt uns, dass der König, eingehüllt in jene falsche Sicherheit, die der Zerstörung vorausgeht, die Gelegenheit nutzte, um den Gott Israels zu beleidigen. Unbesonnener, verblendeter Mann! Es war der Vorabend seiner ruinierten Dynastie und seines Todes.
Für Belsazar war die Vergangenheit eine nutzlose Leerstelle. Für ihn war es eine ungehörte und ungelernte Lektion, dass Gott in seiner Vorsehung seinen Vorfahren zum Werkzeug eines gerechten, aber schrecklichen Gerichts gemacht hatte. Die Stadt, die heilige Stadt Gottes, wurde eingenommen, der Tempel verbrannt, die Gefäße des Heiligtums mit Volk, Priestern und König in das Land des Feindes getragen. Es war für die Menschen überall ein Erstaunen, als Israel so unterging. Die Bedeutung dieser Tatsache stand in keinem Verhältnis zu der Zahl der Nation oder der Ausdehnung ihres Territoriums. Denn so arm sie als Einzelne auch sein mochten, so umgab sie doch der Nimbus eines Gottes, der sie einst aus Ägypten durch das Rote Meer geführt hatte – der sie viele lange Jahre in der trostlosen Wüste mit dem Brot der Engel versorgt hatte – und der sie trotz trauriger Undankbarkeit und tausend Gefahren im Land Kanaan jahrhundertelang beschützt hatte. War es nicht ein seltsamer Anblick für die Welt, als Gott sein eigenes auserwähltes und bevorzugtes Volk aufgab, um von einem chaldäischen König, dem Oberhaupt des Götzendienstes jener Tage, aus seinem Land gefegt zu werden? Denn Babylon war immer berühmt für die Vielzahl ihrer Götzen.
Nebukadnezar war in all dem Stolz seines erfolgreichen Ehrgeizes nicht so gefühllos gewesen. Er hatte sich vor der wunderbaren Wahrheit gebeugt, dass der Gott des Himmels, der Israel wegen seiner Sünden verlassen hatte, ihn in seiner Souveränität zum goldenen Haupt des heidnischen Reiches erhoben hatte. Er hatte den Gott Daniels als einen Gott der Götter und einen Herrn der Könige anerkannt; er hatte den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos als den höchsten Gott bekannt – als einen Befreier und Offenbarer von Geheimnissen, der alle anderen übertrifft. Nebukadnezar hatte sich vieler Sünden schuldig gemacht – war stolz und selbstgefällig gewesen, trotz Warnung, und war erniedrigt worden, wie es kein König und kein Mensch je war; aber er hatte in seinem ganzen weiten Reich seine eigene Sünde und die mächtigen Wunder des Königs des Himmels anerkannt – dessen Werke Wahrheit und seine Wege Recht sind (Kap. 4,34). Aber vor diesem strahlenden Ende, selbst in seinen rücksichtslosesten Tagen (als alle vor ihm zitterten, und „wen er wollte, tötete er, und wen er wollte, ließ er leben; und wen er wollte, erhob er, und wen er wollte, erniedrigte er“ (Kap. 5,19), hatte er sich nie zu einer solchen verächtlichen Gotteslästerung hinreißen lassen, wie jetzt sein Enkel.