Behandelter Abschnitt Hes 11,1-12
Dies wird durch Kapitel 11, das diesen Teil der Prophezeiung abschließt, völlig bestätigt. In der Vision des Herrn wird Hesekiel die maßlose und höhnische Anmaßung der Führer in Jerusalem vor Augen geführt, die dem König Zedekia zu seinem und ihrem Verderben rieten, und zwar in krassem Widerspruch zu der Botschaft des Herrn durch Jeremia, dessen Stil und Bildersprache sie anscheinend für ihre eigenen Zwecke übernommen hatten.
Und der Geist hob mich empor und brachte mich zum östlichen Tor des Hauses des HERRN, das nach Osten sieht. Und siehe, am Eingang des Tores waren fünfundzwanzig Männer; und ich sah in ihrer Mitte Jaasanja, den Sohn Assurs, und Pelatja, den Sohn Benajas, die Fürsten des Volkes. Und er sprach zu mir: Menschensohn, das sind die Männer, die Unheil sinnen und bösen Rat erteilen in dieser Stadt, die sprechen: Es ist nicht an der Zeit, Häuser zu bauen; sie ist der Topf, und wir sind das Fleisch. Darum weissage gegen sie; weissage, Menschensohn! Und der Geist des HERRN fiel auf mich und sprach zu mir: Sprich: So spricht der HERR: So sprecht ihr, Haus Israel; und was in eurem Geist aufsteigt, das weiß ich. Ihr habt eure Erschlagenen zahlreich gemacht in dieser Stadt und ihre Straßen mit Erschlagenen gefüllt. Darum, so spricht der Herr, HERR: Eure Erschlagenen, die ihr in ihrer Mitte hingestreckt habt, die sind das Fleisch, und sie ist der Topf; euch aber wird man aus ihrer Mitte hinausführen. Ihr fürchtet das Schwert; und das Schwert werde ich über euch bringen, spricht der Herr, HERR. Und ich werde euch aus ihrer Mitte hinausführen und euch in die Hand der Fremden geben und werde Gerichte an euch üben. Durchs Schwert sollt ihr fallen; an der Grenze Israels werde ich euch richten. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin. Sie wird euch nicht der Topf, und ihr werdet in ihrer Mitte nicht das Fleisch sein; an der Grenze Israels werde ich euch richten. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin, ich, in dessen Satzungen ihr nicht gewandelt seid und dessen Rechte ihr nicht getan habt; sondern ihr habt nach den Rechten der Nationen getan, die rings um euch her sind (11,1–12).
Die Ähnlichkeit der Zahl fünfundzwanzig in Bezug auf die Männer scheint kein ausreichender Grund zu sein, die hier beschriebenen Spötter mit den Sonnenanbetern zwischen der Vorhalle und dem Altar von Hesekiel 8 zu identifizieren. Hier waren die Anführer zumindest Fürsten des Volkes, nicht des Heiligtums oder der Priester. Wie die vorhergehende Begebenheit den religiösen Abfall darstellte, so diese die Kühnheit und Untreue ihrer zivilen Oberhäupter, wenn auch in der Tür des Tores des Hauses des Herrn. Sie waren die bösen Ratgeber, die sein Wort durch den Propheten an Zedekia vereitelten. Jeremia ermahnte die Juden in Jerusalem, sich dem König von Babel zu unterwerfen, und die Gefangenen, in ihrer Gefangenschaft Häuser zu bauen und Gärten zu pflanzen und Familien zu gründen und für den Frieden der Stadt zu beten, bis die siebzig Jahre vollendet sein würden und ein Überrest nach Jerusalem zurückkehren würde. Die falschen Propheten sagten sowohl im Inland als auch im Ausland ihnen gefällige Dinge voraus und schürten in jeder Hinsicht die Rebellion unter dem Deckmantel des Patriotismus und beriefen sich auf den Namen des Herrn, während sie unter seiner demütigenden Hand zur Unmutsäußerung aufforderten.
Vers 3 ist etwas undeutlich und hat Anlass zu vielen unterschiedlichen Versionen und Auslegungen im Detail gegeben, während die allgemeine Wahrheit klar genug zu sein scheint. In der Septuaginta wird der Vers als Frage verstanden: „Sind die Häuser nicht neu gebaut worden?“ So nahezu auch die Vulgata. Gesenius und Ewald folgen in etwas ähnlichem Stil: „Ist es nicht nahe, die Häuser zu bauen?“ Rosenmüller, De Wette und Young hingegen nehmen es so: „Es ist nicht an der Zeit, Häuser zu bauen“, das heißt die Zeit des Friedens für solche Arbeiten ist weit entfernt, was bedeutet, dass sie entschlossen waren, den Chaldäern bis zum Letzten zu widerstehen, trotz der Warnung des Propheten. Luther und Diodati sind im Wesentlichen wie die Authorized Version; und so auch die moderne Übersetzung von Leeser sowie von Henderson.
Sicher ist, dass sie sich gegen die wahren Propheten auflehnten und sogar das Bild Jeremias ins Lächerliche zogen, indem sie es zu einer für ihre eigene Politik günstigen Formulierung machten. Daher die deutliche Betonung, mit der Hesekiel aufgefordert wurde, gegen sie zu prophezeien, wobei der Geist des Herrn auf ihn fallen würde, mit der erneuten Aufforderung, im Namen des Herrn zu reden, denn ihre Geheimnisse waren in seinem Licht zu sehen. Und nachdem der Herr ihre mörderischen Taten aufgezählt hat, erwidert Er ihnen ihr Sprichwort; nur waren es ihre Erschlagenen, die das Fleisch und die Stadt der Topf waren, während ihnen selbst gesagt wird, sie sollten hinausgehen, aber nicht entkommen, wie sie erwartet hatten. Der Herr würde das gefürchtete Schwert über sie bringen, und dies außerhalb der Stadt, an der sie so sehr hingen, denn sie sollten in die Hand von Fremden zum Gericht übergeben werden. Nein, der Herr verkündet ernst, dass Er sie an der Grenze Israels richten würde, und sie sollten wissen, dass Er der Herr ist. So sollte ihnen die Stadt nicht wie ein Kessel vorkommen, noch sollten sie Fleisch in ihrer Mitte sein, sondern von dem Herrn an den Grenzen gerichtet werden, und sie sollten spüren, in wessen Satzungen sie nicht gewandelt waren und wessen Rechtssprüche sie nicht beachtet hatten, sondern nach denen der umliegenden Nationen handelten.