Behandelter Abschnitt 1Mo 37
Dieses Kapitel stellt uns eine neue und ganz andere Reihe von Ereignissen vor – die sehr anmutige Schilderung über Joseph. Er ist nun nicht mehr ein Flüchtling, der das Land unter der gerechten Hand Gottes verlässt, sondern ein Leidender, der zu gegebener Zeit erhöht werden wird. Das sind die beiden Hauptumrisse der Geschichte Josephs – ein mehr als gewöhnlich eindrucksvolles Vorbild Christi, indem er unter den verschiedenen Prüfungen durch eine unbefleckte Lauterkeit des Herzens über alle seine Gefährten glänzte. Es gibt keinen Patriarchen, auf dem der Geist Gottes mit größerer Freude wohnte; und unter denen, die Christus, unserem Herrn, vorangegangen sind, kann man sich fragen, wo man einen solchen Leidenden findet. Dabei war sein Leiden nicht nur äußerlich: Er litt ebenso sehr unter seinen Brüdern. Wo immer er lebte, in Israel oder in Ägypten, war er ein Leidender, und dies in erstaunlicher Gnade, nie moralisch höherstehend, als wenn er gemeinste Vorwürfe einstecken musste. Er war jemand, der wahre Einsicht hatte. Und die Erkenntnis des Heiligen ist Einsicht (Spr 9,10). Das war Josephs großes Unterscheidungsmerkmal. So finden wir, dass es ihn zuallererst in Gegensatz mit dem Haus seines Vaters brachte. Jakob empfand in der Tat ganz anders. Es war unmöglich für jemanden, der Heiligkeit schätzte, eine gute Nachricht über seine Brüdern zu bringen. Aber sein Vater liebte ihn, und als seine Brüder sahen, wie ihr Vater ihn schätzte, konnten sie Joseph umso weniger ertragen.
„Und sie hassten ihn noch mehr wegen seiner Träume und seiner Worte“ (V. 8). Die Weisheit, die auf die Treue folgt – und ich glaube, dass es in der Regel immer so ist –, wird in den Mitteilungen Gottes bereitgestellt und ausgeübt; denn wenn Er ein Herz für das formt, was von Ihm selbst ist, gibt Er die Nahrung, wonach es sich sehnt. Er gibt Joseph Träume, die die gnädigen Pläne zeigen, die Er sich vorgenommen hatte. Denn zuerst huldigen die Garben, und er erzählt seinen Brüdern alles mit der größten Einfalt des Herzens; denn er dachte nie an sich selbst und konnte daher mit Freimütigkeit reden. Aber sie haben mit instinktiver Abneigung und Eifersucht auf das, was ihren Bruder ehrte, nicht versäumt, die verhasste Anwendung seiner Träume zu machen. Sogar der Vater findet es anstrengend, so sehr er ihn auch liebte; denn Joseph hatte einen anderen Traum, in dem die Sonne und der Mond, sowie elf Sterne sich vor ihm niederbeugten; und Jakob empfand und beachtete den Ausspruch.
Die Geschichte geht weiter: Joseph wird geschickt, um nach dem Wohlergehen seiner Brüder zu sehen. Er folgt ihnen nach Dothan, und dort bringt der letzte Liebesdienst ihren tiefsten Hass zum Vorschein. Sie beschließen, sich seiner zu entledigen. Sie wollen diesen Träumer nicht mehr haben. Ruben stellt sich gegen ihre mörderische Absicht; aber das Ergebnis ist, dass er auf Judas Vorschlag hin in die Grube geworfen und dem Tod preisgegeben wird, doch herausgeholt und an die Midianiter verkauft wird – ein wunderbares Vorbild eines Größeren als Joseph. Es war schlimm, ihn für zwanzig Silberstücke zu verkaufen, aber das war nicht das ganze Ausmaß des Unrechts; denn dieselben grausamen Herzen, die sich eines heiligen und liebenden Bruders auf diese Weise entledigten, scheuten nicht davor zurück, ihrem alten Vater die tödlichste Wunde zuzufügen. Sünde gegen den Bruder und Sünde gegen den Vater – so lautet der traurige Schluss dieses Kapitels der Geschichte Josephs.