Der Schatz im Acker. Mt 13,44.
Die zwei Gleichnisse, der Schatz im Acker und die köstliche Perle, gehören zusammen. Sie kommen, wie ein Fremdkörper, inmitten der andern Gleichnisse vor. Ihre auffallende Gleichheit zeigt ihre Zusammengehörigkeit. Sie stellen Israel und die Gemeinde während des Herrn Abwesenheit von der Erde dar. In beiden Gleichnissen haben wir, wie in den ersten zwei Gleichnissen, einen Mann als Handelnden. In beiden Gleichnissen gibt der Käufer alles auf, um Schatz und Perle zu erwerben. Gleichzeitig aber besteht auch eine große Verschiedenheit zwischen beiden Gleichnissen. Der Schatz ist verborgen im Acker und sein Wert wird nicht genannt. Die Perle liegt im Meer und ist von sehr hohem Wert. Der Verschiedenheiten wegen wollen wir sie getrennt behandeln.
I. Was ist das Gleichnis nicht?
Gewöhnlich wird das Gleichnis hingestellt, als sei der Sünder der Kaufende, der Jesum erwirbt, und in Ihm den Schatz erblickt. Der suchende Sünder aber kauft nicht; denn er besitzt gar nichts. Das Heil ist nicht zu kaufen, sondern aus Gnaden (Röm 3,24). Der Sünder kann keine Opfer bringen. Das Gesetz sagt ihm, tue das und du wirst leben. Aber gerade das kann er nicht. Weiter erkennen wir aus Vers 38, daß der Acker die Welt ist. Der Sünder muß doch nicht die Welt kaufen, im Gegenteil, diese soll er aufgeben. Zudem ist der Sünder nicht nur mittellos, sondern voller Schulden; er muß seinen ganzen Bankrott zugeben. Der Kaufende ist ein Mann, genau so, wie wir in den Gleichnissen vom Säemann und vom Unkraut einen Mann sahen. Der in jenen Gleichnissen genannte Mann ist der Herr, und so auch hier. Es ist also nicht der Ungerettete, der den Herrn sucht, sondern der Herr ist der Suchende. Weiter sehen wir, daß der Schatz verborgen bleibt. Der Sünder, der Jesus gefunden hat, verbirgt, d. h. verschweigt nicht den Herrn, sondern er macht Seinen Namen kund (Apg 4,20). Die Bedeutung des Gleichnisses muß also eine ganz andere sein. Was ist sie?
II. Das Bild des Schatzes.
Das vom Herrn gebrauchte Bild des verborgenen Schatzes war allen bekannt. Damals wurden Schätze oft vom Besitzer im Acker verborgen. Z. B. in Kriegszeiten oder andern Gefahren vergrub man Schätze, wie Edelsteine, Gelder oder Schmucksachen in einer Truhe im Felde, um sie wieder zu heben, wenn die Gefahr vorüber war. Solches geschieht heute noch. Kam der Eigentümer aus dem Kriege zurück, so hob er seinen Schatz. Der Nachbar, der manchmal davon wußte, kaufte nun das Feld, falls der Besitzer nicht zurückkehrte, und damit auch den verborgenen Schatz. Der Schatz in unserm Gleichnis stellt Israel dar, Gottes irdisches Volk (2. Mose 19,5-6; 5. Mose 7,6-8; 30,8-9; Ps 135,4; Mal 3,17.
III. Der Schatz gekauft.
Als der Herr in diese Welt kam, fand er Israel in ihr. Israels wegen kaufte der Herr den Acker, die Welt, und zwar mit Seinem Blut (1. Petrus 1,19). Als Kaiphas das Wort sprach: "Es ist besser es sterbe einer für das Volk, als daß das ganze Volk verderbe" (Joh 11,50), wußte er nicht, was er damit sagte. Ja, der Herr starb für Seine Nation und erwarb die Welt samt Israel in ihr. Er legte den Preis, Sein Blut, dafür dar. Das Resultat dieses dargelegten Erlösungspreises ist noch nicht offenbar geworden. Israel liegt noch immer verborgen im Acker dieser Welt, aber der Tag wird kommen, da Israel wiederhergestellt werden wird (Hosea 3,4-5; Jer 23,7-8; 31,10; 5. Mose 23,9; Röm 11,12-15). Der Herr wird Israel wiederum anerkennen, und es wird Sein Volk sein.
IV. Der Schatz gehoben.
Israel ist immer in der Welt verborgen, oder wie es Hesekiel in seinem bekannten Bilde der Totengebeine zeigt, in den Gräbern der Nationen (Hes 37). Man denke vor allem an die 10 Stämme, die nie aus der assyrischen Gefangenschaft zurückgekehrt sind. Wenn die Gemeinde, die kostbare Perle, droben beim Herrn sein wird, dann wird Er sich wiederum des verborgenen Schatzes im Acker annehmen. Der Herr wird mit all Seinen Heiligen kommen, um diese Welt in Besitz zu nehmen, weil sie Sein rechtmäßiges Eigentum ist. Israel wird Ihn erkennen und Buße tun und den, den es einst ablehnte, aufnehmen. Israel wird dann das große Heil rühmen (Jes 12). Während der gegenwärtigen Abwesenheit Christi von der Erde ist Israel Verstockung widerfahren, Röm 11,25 aber zeigt klar, daß dies nur bis um Ende dieses Zeitalters sein wird. Nachdem die Vollzahl aus den Nationen eingegangen sein wird, bekommt Israel seinen durch Sünde verlorengegangenen Platz wiederum zurück. Die Namenchristenheit lehnt diese Tatsache ab, und wenn wir, wir sie, auf das rein Äußere schauten, dann machten wir es auch so. Aber wir blicken auf die Verheißungen, die Ja und Amen sind. Israel wird noch einmal Gottes anerkanntes Volk und das Zentrum der Regierung Gottes auf Erden sein (Jes 2,2-4). Gerechtigkeit, Friede und Freude wird dann die Erde erfüllen. Alle Israel gegebenen Verheißungen werden sich an ihm erfüllen (Apg 15,14-16; Röm 9-11).
V. Warum zwei so ähnliche Gleichnisse?
Wenn in beiden Gleichnissen der Kaufmann der Herr ist, und Schatz und Perle Menschenseelen, warum dann zwei Gleichnisse? Der Herr redet hier von einem doppelten Geheimnis im Reiche der Himmel. Redet Er vom Schatz im Acker, so meint Er damit Israel, Sein irdisches Volk. Redet Er von der Perle, so meint Er die Gemeinde, sein himmlisches Volk. Die Perle trägt ja auch alle Farben des Himmels an sich, ist also nicht von der Erde. Diese zwei Gleichnisse zeigen also deutlich das Geheimnis Israels und das des Leibes Christi. Paulus, dem diese Geheimnisse geoffenbart wurden, redet in seinen Episteln von beiden. Man lese besonders Röm 9-11 und den Epheserbrief. Nachdenkende Leser brechen dann bald in Jubel aus, und sagen mit Paulus: O, welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und Erkenntnis Gottes (Röm 11,33-36).