Behandelter Abschnitt 1Sam 7,59
Verse 5–9 | Samuel bittet für das Volk
5 Und Samuel sprach: Versammelt ganz Israel nach Mizpa, und ich will den HERRN für euch bitten. 6 Und sie versammelten sich nach Mizpa und schöpften Wasser und gossen es aus vor dem HERRN; und sie fasteten an die sem Tag und sprachen dort: Wir haben gegen den HERRN gesündigt! Und Samuel richtete die Kinder Israel in Mizpa. 7 Und die Philister hörten, dass die Kinder Israel sich nach Mizpa versammelt hatten, und die Fürsten der Philis ter zogen gegen Israel herauf. Und die Kinder Israel hörten es und fürchteten sich vor den Philistern; 8 und die Kinder Israel sprachen zu Samuel: Lass nicht ab, für uns zu dem HERRN, unserem Gott, zu schreien, dass er uns aus der Hand der Philister rette! 9 Und Samuel nahm ein Milchlamm und opferte es ganz als Brandopfer dem HERRN; und Samuel schrie zu dem HERRN für Israel, und der HERR erhörte ihn.
Nun kommt der nächste Schritt. Das Volk wird nach „Mizpa“ gerufen, nicht nach Silo. Hier beginnt etwas Neues. Mizpa bedeutet „Wachturm“. Das Volk wird auf das Neue ausgerichtet, das in der Zukunft liegt, aber wovon sie noch nicht wissen, was es beinhaltet. Das Neue beginnt mit Ge bet. So ist es immer bei einer Erweckung. Der Ursprung liegt immer in inständigem Gebet. Mose und Samuel sind die großen Fürbitter für Gottes Volk im Alten Testament (Ps 99,6; Jer 15,1a).
Der Mann, der im Namen Gottes zum Volk spricht, ist auch der Mann, der im Namen des Volkes zu Gott geht. Der Mann, in dem das Wort Got tes wohnt und der es treu gebraucht, weiß auch, wie er das Vorrecht der priesterlichen Fürbitte gebrauchen kann. Was er zuerst persönlich und im Verborgenen getan hat, will er nun öffentlich mit allen zusammen tun. All gemeine Not, allgemeine Gefahr und vor allem eine allgemeine Hinwen dung zu Gott bringt das Volk zusammen. Alle anderen Zusammenkünfte sind in dieser Hinsicht nutzlos.
Das Schöpfen und Ausgießen von Wasser ist auch etwas, was vorher noch nicht geschehen ist. Das bedeutet nicht, dass es verkehrt ist. Es ist kein Sündopfer, aber der Geist des Sündopfers ist in dieser Handlung gegen wärtig. Das müssen wir beurteilen können und nicht, ob etwas unseren Vorstellungen von dem, was richtig ist, entspricht. Gottes Geist ist frei in seinem Wirken (vgl. Joh 3,8) und wir dürfen Ihm dabei nicht unsere An sichten aufdrücken wollen.
In 2. Samuel 14 wird die Bedeutung sichtbar: „Denn wir müssen gewiss sterben und sind wie Wasser, das auf die Erde geschüttet ist, das man nicht wieder sammeln kann“ (2Sam 14,14a; vgl. 1Sam 1,15; Ps 62,9a; Klgl 2,19). Das ausgegossene Wasser zeigt, was der natürliche Mensch in sei ner Schwachheit ist. Wenn Wasser ausgegossen ist, kann es nicht wieder eingesammelt werden. Dies wird auf den Herrn Jesus angewendet, als Er seine Seele, sein Leben, in den Tod ausschüttet (Ps 22,15; Jes 53,12). Es scheint dann mit Ihm vorbei zu sein. Aber Gott hat dieses Wasser sozusa gen gesammelt, als Er Ihn aus den Toten auferweckt hat. Dadurch können wir jetzt „mit Wonne … Wasser schöpfen aus den Quellen der Rettung“ (Jes 12,3).
Das Bekenntnis „wir haben gegen den HERRN gesündigt“ ist ein allge meines Bekenntnis und daher vage. Unter diesem allgemeinen Bekenntnis können Formen von bestimmtem Bösen verborgen sein, die noch nicht ans Licht gebracht wurden und noch nach Gottes heiligem Wort gerichtet wer den müssen. Das ist es, was Samuel dann tut, als er sie anleitet. Er leitet sie, indem er ihnen Gottes Wort erklärt. Der Beter Samuel ist auch der Lehrer. Seine Unterweisung wird durch sein Gebet unterstützt.
Die Philister beurteilen völlig falsch, was in Israel geschieht. Sie meinen, dass sich das Volk versammelt, um gegen sie zu kämpfen. Aber Israel hat Angst vor den Philistern. Obwohl der Feind das verkehrt beurteilt und auch nicht anders kann, haben sie doch auch recht. Demütigung vor Gott ist in Wirklichkeit auch eine Kampfansage an den Feind. Demut be eindruckt den Feind, darauf hat er keinen Einfluss. Demut kann nicht überwunden werden, denn in ihr ist der Herr auf der Seite seines Volkes.
Der Feind wird aktiv, wenn das Volk Gottes sich mit Gott verbindet. Der Feind duldet keine einzige Handlung, die Gottes Volk in eine Position bringt, die von Gott anerkannt wird. In ihrer Not wenden sich die Israe liten an den Propheten Gottes und den Fürbitter bei Gott, dass er für sie beten möge. Sie haben ein starkes Vertrauen in die Fürbitte Samuels, da sie wissen, dass er ein heiliger Mann Gottes ist. Sie appellieren an einen Fürbitter, weil sie verstehen, dass Fürbitte ihnen mehr nützen wird als das größte Heer.
Samuel hat bereits gebetet, aber das Volk möchte, dass er damit weiter macht. Sie kennen die Kraft des „Gebetes eines Gerechten“ und erkennen sie an, denn es „vermag viel“ (Jak 5,16b). Sie wissen, dass ihre Rettung vom HERRN kommen muss, dass Er allein sie erretten kann und dass Er dafür gesucht werden muss. Sie erkennen die Verbindung Samuels zum HERRN an.
Das ist eine sehr viel bessere Haltung als die, als sie in ihrem Hochmut ge meint haben, den Kampf beginnen zu können und die Bundeslade dafür gebrauchen zu können (1Sam 4,1-3). Jetzt sehen sie ihre eigene Machtlo sigkeit und nehmen ihre Zuflucht zum Gebet. So sind auch ein betender Josaphat, der von Frauen und Kindern umgeben ist (2Chr 20,3-5.13), und ein betender Hiskia, der in Sacktuch gekleidet ist (Jes 37,1), gefährlicher für den Feind, als wenn sie von Soldaten in Kriegsuniform umgeben sind.
Samuel bringt ein Brandopfer. Es ist ein Milchlamm, also ein neugebore nes Lamm, das noch bei der Mutter trinkt. Das ist ein Bild von äußerster Schwachheit. Die einzige andere Stelle, wo es noch gefunden wird, ist in einer Szene, die das Friedensreich beschreibt (Jes 65,25a). Auf der Grund lage dieses Milchlammes naht Samuel Gott, um Fürbitte für das Volk zu tun. Das Lamm wird auch geopfert, um das Volk wiederherzustellen und es wieder in die Gunst Gottes zurückzubringen.
Der Herr Jesus ist „in Schwachheit gekreuzigt worden“ (2Kor 13,4). Wir brauchten jemanden von so großer Niedrigkeit, weil wir selbst so gering waren. Gott verachtet die Schwachheit des Glaubens nicht, sondern steigt in Gnade auf unsere Ebene der Schwachheit hinab. Der Herr Jesus hat in vollkommener Abhängigkeit von Gott gelebt, vollkommen Ihm geweiht, und ist als Baby von der Fürsorge seiner Mutter abhängig gewesen. Das ist der Weg, auf dem Gott Errettung für den Menschen bereitet hat.