Behandelter Abschnitt Ri 21,1-4
Einleitung
Im letzten Kapitel des Buches Richter werden die Folgen des Auftretens von Israel betrachtet. Die Lösungen, die bedacht werden, sprechen gewiss nicht von einer ungeteilten Rückkehr zum HERRN und von einem Fragen nach seinem Willen. Die Ergebnisse sind verheerend sowohl für Familien als auch für andere Unschuldige. Und alles dient dazu, das eigene Versagen nicht anerkennen zu müssen.
Verse 1–4 | Die Sorge um den Fortbestand Benjamins
1 Die Männer von Israel hatten aber in Mizpa geschworen und gesagt: Niemand von uns soll seine Tochter den Benjaminitern zur Frau geben! 2 Und das Volk kam nach Bethel, und sie blieben dort bis zum Abend vor Gott; und sie erhoben ihre Stimme und weinten sehr 3 und sprachen: Warum, HERR, Gott Israels, ist dies in Israel geschehen, dass heute ein Stamm aus Israel vermisst wird? 4 Und es geschah am nächsten Tag, da machte sich das Volk früh auf, und sie bauten dort einen Altar und opferten Brandopfer und Friedensopfer.
Es ist normal, dass nach dem Erringen eines Sieges ein Fest gefeiert wird. Das ist hier nicht der Fall. Der Sieg wird mit Tränen „gefeiert“: Es wird laut geweint. Es waren mehr als 65.000 Israeliten getötet worden. Die wahren Feinde können hingegen jauchzen. Sie haben so viele Widersacher weniger. Der Feind lacht sich ins Fäustchen, wenn Brüder einander bekämpfen. Von ihnen hat er nichts zu befürchten.
Als Israel nach der Bestrafung Benjamins die Folgen besieht, kommen zwei Dinge ans Licht. Erstens ist ein Eid geschworen worden: Niemand soll seine Tochter den Benjaminitern geben. Zweitens war bis auf 600 Mann der ganze Stamm ausgerottet worden. Wenn es für Benjamin noch ein Fünkchen Hoffnung auf das Überleben gab, dann hatten sie dies durch ihren Eid unmöglich gemacht.
Dies bringt sie zu einem Rufen zu Gott. Was sie in ihrer Bitte zu Gott zum Ausdruck bringen, lässt erkennen, dass sie nicht wirklich bis zur Wurzel des Problems durchgedrungen sind. Trotz all ihrem Weinen ist nur ein oberflächliches Verständnis dessen vorhanden, was geschehen ist. Sie können doch ihre Frage selbst beantworten. Sie haben es ja selbst verursacht.
Auch die Korinther konnten sich fragen, wie es kam, dass unter ihnen viele krank und nicht wenige entschlafen waren (1Kor 11,29-32). Das lag wahrhaftig nicht an erster Stelle an den Kranken und Entschlafenen, es lag an dem Zustand, in dem sich die ganze Gemeinde befand. Die Züchtigung ist nicht nur für diejenigen, die sie erleiden, sondern muss von der ganzen Gemeinde gefühlt werden. Zucht über Mitgläubige soll uns
nicht gleichgültig lassen, als ob sie allein die anderen betreffen würde, und
uns auch nicht böse auf Gott werden lassen, als ob Er willkürlich handeln würde.
Gott hat mit seiner Zucht immer ein Ziel. Wir können uns am besten fragen, inwieweit Gott durch unsere eigene Torheit und unser fleischliches Handeln Zucht über andere kommen ließ, um uns zu erreichen.
Die Israeliten vermissen Benjamin dennoch. Empfinden wir es auch, wenn jemand hinausgetan werden musste? Werden sich die Israeliten plötzlich bewusst, dass die Strafe weiter gegangen ist, als es beabsichtigt war? Dadurch erhält ihr Eid einen bedrohlichen Charakter. Sie kommen nicht darum herum, und doch wollen sie Benjamin mit Frauen versorgen.
Bevor sie mit einer Lösung kommen, bauen sie zuerst einen Altar und bringen darauf Brandopfer und Friedensopfer. Sie tun hiermit, was sie auch in Richter 20 getan haben (Ri 20,26). Es scheint so, als ob sie dies wegen der guten Wirkung tun, die das Opfern gehabt hat und nicht mit einem Herzen, das in Gemeinschaft mit Gott ist. Es ist eine mehr oder minder abergläubische Handlung. Sie dachten vielleicht: Wenn es damals wirkte, wird es jetzt genauso gut wirken. Was sie dabei vergessen, ist, dass es zuvor aus einer richtigen Gesinnung geschah. Aus der Fortsetzung wird deutlich, dass ihr Herz nicht wirklich bei Gott ist.