Behandelter Abschnitt Ri 9,10-11
Verse 10.11 | Der Feigenbaum
10 Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: Komm du, sei König über uns! 11 Und der Feigenbaum sprach zu ihnen: Sollte ich meine Süßigkeit aufgeben und meine gute Frucht, und sollte hingehen, um über den Bäumen zu schweben?
Zum ersten Mal lesen wir etwas über den Feigenbaum in der Bibel, nachdem Adam und Eva gesündigt haben (1Mo 3,7). Als sie sehen, dass sie nackt sind, wollen sie ihre Blöße mit Blättern des Feigenbaumes bedecken. Hierin liegt ein Hinweis, dass der Feigenbaum etwas über Gerechtigkeit sagt. Adam und Eva fertigen eine eigene Bedeckung an, um vor Gott erscheinen zu können, doch diese Bedeckung hält nicht stand.
Es geht damit wie mit allen Werken eigener Gerechtigkeit, wodurch ein Mensch angenehm vor Gott sein zu können meint. Es ist eine Gerechtigkeit ohne Frucht für Gott, es sind lediglich Blätter, eine äußerliche Sache. Das ist auch in Markus 11 der Fall. Der Herr Jesus hat Hunger und will von einem Feigenbaum essen. Es befinden sich jedoch nur Blätter daran und keine Frucht. Der Herr verflucht daraufhin diesen Feigenbaum (Mk 11,13.14).
Der Feigenbaum ist ein Bild von Israel (Hos 9,10a; Joel 1,7). Gott kam in Christus zu seinem Volk, um Frucht bei ihm zu suchen. Er verlangte danach. Doch was traf er an? Ein Volk, das völlig von einer selbst aufgebauten, eigenen Gerechtigkeit beherrscht wird. Aber niemals wird etwas aus eigener Anstrengung den Menschen vor Gott angenehm machen. Es hat sich erwiesen, dass der Mensch durch und durch sündig ist, als der Herr Jesus von diesem Volk voller eigener Gerechtigkeit an das Kreuz gebracht und getötet wurde.
Es geht Gott um die Frucht der Gerechtigkeit, nicht um einen Schein von Gerechtigkeit. Diese Frucht wird sicher sichtbar, aber nur, wenn sie die Folge einer Liebe ist, die überfließt in Erkenntnis und aller Einsicht und die im praktischen Glaubensleben ausgelebt wird, mit dem Blick, der auf das Kommen Christi ausgerichtet ist (Phil 1,9.10). Jemand, bei dem dies gefunden wird, ist „erfüllt mit [der] Frucht [der] Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“ (Phil 1,11).
Der Feigenbaum spricht von Nahrung, aber auch von Heilung. In Jesaja 38 ist von einem Feigenkuchen die Rede, der auf das Geschwür Hiskias gelegt werden sollte (Jes 38,21). Dadurch sollte es ihm besser gehen.
Wir können von diesem allem das Folgende lernen. In der Gemeinde haben insbesondere der Hirte und der Lehrer einen Dienst der Ernährung und Erquickung, der Heilung und Unterstützung für die Glieder des Volkes Gottes. Ihr Dienst wird sich darauf richten, die Frucht der Gerechtigkeit in den Gläubigen zum Wachstum und zur Blüte kommen zu lassen, so dass Gott sie genießen können wird.
Diese „Feigenbaum-Brüder“ müssen davor aufpassen, dass sie diesen Dienst nicht zu einem Platz der Herrschaft über Gottes Volk machen. Es schließt auch eine Warnung in sich, dass die praktische Glaubenserfahrung keinen zu großen Stellenwert erhalten darf. Das geschieht dort, wo vor allem ständig auf das praktische Christsein gedrängt wird, während man an dem vorbeigeht, was die Bibel darüber sagt. Dann geht der Feigenbaum auch hin, um über den anderen Bäumen zu schweben.