Behandelter Abschnitt Heb 11,31-40
Verse 31-40 Aus Glauben leben (VI)
Bei Jericho sehen wir nicht nur den Glauben des Volkes und welche Auswirkung er hatte. Die Eroberung Jerichos ist auch die Gelegenheit, wo sich der Glaube einer einzelnen Bewohnerin der Stadt offenbart. Der Glaube Rahabs zeigte sich darin, dass sie sich für das Volk Gottes entschied, während die Macht ihres Volkes noch völlig ungebrochen und bei dem Volk Gottes noch nichts von dem erwarteten Sieg zu sehen war. Doch Rahab spürte, dass Gott mit ihnen war. Das ließ sie wählen; eine Wahl die der natürlichen Wahl für das eigene Volk entgegenstand. Darin ist sie ein Vorbild für die Hebräer, die sich auch entscheiden mussten: für das scheinbar schwache Volk Gottes und gegen ihre ungläubigen, ungehorsamen Volksgenossen.
Was Rahab tat, sieht nach Landesverrat aus, es ist aber eine Tat des Glaubens. Dadurch wandte sie sich von der Welt und einem Leben in der Sünde ab, um sich dem Volk Gottes anzuschließen. Ihr Volk wusste um die großen Taten Gottes, wollte sich aber nicht vor Ihm beugen (Jos 2,10). Es gab Widerstand und Aufstand. Damit wollte sie nichts zu tun haben. Indem sie die Kundschafter aufnahm, schloss sie Frieden mit dem Volk Gottes und machte sich mit ihnen eins. Zu ihren Volksgenossen, die hier „Ungläubige“ oder „Ungehorsame“ genannt werden, ging sie auf Abstand. Als sie den Kundschaftern Unterkunft bot, warf sie ihr eigenes Leben in die Waagschale. Sie verband ihr Los mit dem ihren. Ihr Glaube wurde dadurch reich belohnt. Sie bekam sogar einen Platz im Geschlechtsregister des Herrn Jesus (Mt 1,5).
Der Schreiber könnte weiter fortfahren, doch er geht nicht länger auf Einzelheiten ein. Die Zeit dazu würde ihm fehlen. Aber geleitet durch den Geist, nennt er noch in allgemeiner Form eine Anzahl Beispiele. An diesen Beispielen wird deutlich, wie der Glaube sich in allen Arten des Ausharrens erwies und wie er die Gläubigen in allen möglichen Arten von Leiden aufrechterhielt. Eins hatten sie gemeinsam: Keiner von ihnen hatte etwas von dem empfangen, was verheißen war, wie das ja auch bei den Hebräern der Fall war, an die sich dieser Brief richtete.
Weil der Schreiber des Briefes nur die Namen nennt, will ich auch nicht ausführlich auf die Geschichte der Personen eingehen, die er nennt. Lies nur einmal ihre Geschichte. Oft wirst du verstehen, warum er sie nennt. Manchmal wird es dich auch, wenn du die Geschichte gelesen hast, verwundern, dass er sie nennt. Aber wenn der Geist Gottes Namen von Gläubigen aus dem Alten Testament im Neuen Testament anführt, ist das bis auf eine Ausnahme (und das ist Elia in Römer 11,3.4) immer positiv. Gott sieht tiefer als bis zu dem, was an äußerer Geschichte beschrieben ist. Er sieht, welchen Platz Er im Herzen hat, auch wenn die Praxis oft dahinter zurückbleibt.
Wir wollen die Liste durchgehen. Als das Volk im Land ist, beginnt die Zeit der Richter. Vier von ihnen werden genannt. Gideon und Barak taten ihr Glaubenswerk in kleiner
Kraft. Simson und Jephta handelten ebenfalls im Glauben, aber ihr Handeln war ganz klar nicht einwandfrei. Bei beiden Paaren steht der Wichtigste voran, während chronologisch die Reihenfolge umgekehrt ist. Von allen Richtern gilt, dass ihre Befreiungen nur vorübergehender Art waren. Keiner von ihnen konnte für einen dauerhaften Frieden sorgen. Nach der Richterzeit folgte die Zeit der Propheten und Könige. Von den Propheten wird Samuel genannt und von den Königen David. Auch hier ist die Reihenfolge umgekehrt. Zuerst wird David genannt, danach Samuel. David war der König nach dem Herzen Gottes, Samuel war sein Vorläufer.
Propheten sprachen das Gewissen des Volkes an. Sie starben lieber, als dass sie Lügen predigten, und sie gingen lieber mit einem guten Gewissen zum Himmel, als dass sie mit einem schlechten Gewissen auf der Erde blieben. Obwohl David der König nach dem Herzen Gottes war, führte auch er das Volk nicht in die Ruhe ein (Kap. 4,7.8). Die endgültige Ruhe blieb auch für ihn eine Sache des Glaubens. Die Erfüllung wird durch den geschehen, der sowohl sein Sohn (Mt 1,1) als auch sein Herr ist (Mt 22,41-45).
Nach diesen Namen nennt der Schreiber einige Taten, die durch Glauben getan wurden.
Ich will versuchen, für jede Tat ein Beispiel zu geben:
Königreiche unterwarfen: Richter und David
Gerechtigkeit wirkten: Richter und Könige, die das Recht wahrten
Verheißungen erlangten: kann bedeuten, das Verheißene zu empfangen, aber auch, eine Verheißung zu bekommen
der Löwen Rachen verschlossen: Daniel (Dan 6,23), Simson, David, Benaja
des Feuers Kraft auslöschten: die drei Freunde Daniels (Dan 3), die zwar die Kraft des Feuers auslöschten, nicht aber das Feuer selbst, denn andere wurden dadurch verzehrt
des Schwertes Schärfe entgingen: David, Elia (während andere mit dem Schwert getötet wurden; V. 37)
aus der Schwachheit Kraft gewannen: Gideon, Jonathan; sie bewiesen, dass das Schwache Gottes stärker ist als die Menschen
im Kampf stark wurden: Asa, Josaphat
der Fremden Heere zurücktrieben: viele Richter und Könige
Frauen erhielten ihre Toten wieder durch Auferstehung: die Witwe zu Zarpat, die Sunamitin.
In allen diesen Situationen erwies sich der Glaube zugunsten des Gläubigen als wirksam, und das manchmal auf wunderbare Weise. Nun folgen Beispiele für Situationen, wo der Glaube auch wirksam war in solchen, die schwer litten oder sogar getötet wurden. Dieses Leiden und den Tod zu erdulden, wäre Torheit, wenn mit dem Tod alles aus wäre:
gefoltert, da sie die Befreiung nicht annahmen: manche erlitten grausame Folterung, während sie ein Angebot ausschlugen, das die Folterung beendet hätte, für den Glauben jedoch unannehmbar war; sie glaubten an eine bessere Auferstehung und sehnten sich danach
durch Verhöhnung und Geißelung versucht: Jeremia, Glaubenshelden aus den Makkabäern
Fesseln und Gefängnis: dieselben, Joseph
gesteinigt: Stephanus, Sacharja (= Sekarja), Nabot
zersägt: der Tradition nach Jesaja durch König Manasse
versucht: unter schweren geistigen oder körperlichen Druck gesetzt werden, damit sie den Glauben verleugnen, einen Kompromiss schließen, etwas widerrufen oder in jedem Fall ihren Herrn verleugnen
starben durch den Tod des Schwertes: Massenmord mittels des Schwertes (Dan 11,33b; Apg 12,2; Jer 26,23, während andere der Schärfe des Schwertes entgingen; V. 34)
gingen umher in Schafpelzen, in Ziegenfellen: Elia, Johannes der Täufer
hatten Mangel: Hunger und Durst
Drangsal: waren unter fremder Herrschaft
Ungemach: allgemeine Peinigung
die Welt war ihrer nicht wert: Die Welt maß Menschen, die so lebten, keinerlei Wert bei
irrten umher in Wüsten und Gebirgen und Höhlen und den Klüften der Erde: Sie boten vielen Glaubenshelden, die ohne ein Zuhause waren, Zuflucht, während sie selbst gejagt wurden, als seien sie wilde Tiere
Gott hat gesehen und wahrgenommen, dass alle diese Gläubigen bis zum Ende am Glauben festgehalten haben. Sie haben auf der Erde nicht empfangen, was ihnen verheißen war. Das haben sie noch immer nicht, auch nicht im Paradies, wo sie jetzt sind. Sie werden das Verheißene erst bekommen, wenn auch die Hebräer und auch wir es bekommen. Und wann ist das? Wenn Christus kommt und das Friedensreich aufrichtet. Das ist das „etwas Bessere“, das Gott vorgesehen hat. Das „Bessere“ hat immer mit Christus als dem verherrlichten Menschen im Himmel zu tun. Er hat diesen Platz dort von Gott bekommen, während Er auf der Erde verworfen ist.
Mit diesem Christus bist du verbunden, während du auf der Erde lebst. Abraham lebte im Glauben auf der Erde und hatte im Herzen eine himmlische Gesinnung, während er eine himmlische Stadt erwartete. Aber er war nicht durch Christus mit dem Himmel verbunden, der dort wirklich in Herrlichkeit sitzt, und er teilte nicht die Verwerfung Christi auf der Erde. Das ist unser Teil. Darum ist der Geringste im Reich der Himmel größer als der Größte unter denen, die vorausgingen (Mt 11,11). Darum hat Gott damit gewartet, seine Verheißungen zu erfüllen. Er wollte nicht, dass die alttestamentlichen Gläubigen ohne uns vollkommen gemacht würden, das heißt zu diesem herrlichen Platz kämen, wo sie die Herrschaft Christi teilen werden.
Es ist das Vorrecht der Gläubigen aller Zeiten, an der Herrschaft Christi teilzuhaben. Aber es ist vor allem das Vorrecht derer, die auf der Erde die Verwerfung Christi geteilt haben. Das sind nur die Gläubigen, die zur Gemeinde gehören, und nicht die Gläubigen aus der Zeit des Alten Testaments oder aus der Zeit nach der Entrückung der Gemeinde. Der Schreiber geht nicht weiter auf die besondere Stellung dieser Gläubigen ein. Das ist nicht das Thema dieses Briefes. Aber aus anderen Briefen wissen wir, dass die Gemeinde auf eine besondere Weise mit dem Herrn Jesus verbunden ist (z. B. Eph 1,10.11). So kommen alle zur Vollkommenheit, die im Glauben gelebt haben, und Gott erfüllt an jedem von ihnen seine unveränderlichen Verheißungen.