Behandelter Abschnitt Apg 22,24-30
Verse 24-30 Berufung auf römisches Bürgerrecht
... 24 befahl der Oberste, dass er in das Lager gebracht würde, und sagte, man solle ihn unter Geißelhieben verhören, damit er erführe, aus welchem Grund sie so gegen ihn schrien. 25 Als sie ihn aber mit den Riemen ausspannten, sprach Paulus zu dem Hauptmann, der dastand: Ist es euch erlaubt, einen Menschen, der ein Römer ist, zu geißeln, und zwar unverurteilt? 26 Als aber der Hauptmann es hörte, ging er hin und meldete dem Obersten und sprach: Was hast du vor zu tun? Denn dieser Mensch ist ein Römer. 27 Der Oberste aber kam herzu und sprach zu ihm: Sage mir, bist du ein Römer? Er aber sprach: Jak 28 Der Oberste aber antwortete: Ich habe für eine große Summe dieses Bürgerrecht erworben. Paulus aber sprach: Ich aber bin sogar darin geboren. 29 Sogleich nun standen die von ihm ab, die ihn verhören sollten; aber auch der Oberste fürchtete sich, als er erfuhr, dass er ein Römer sei, und weil er ihn gebunden hatte.
30 Am folgenden Tag aber, da er mit Gewissheit erfahren wollte, weshalb er von den Juden angeklagt sei, machte er ihn los und befahl, dass die Hohenpriester und das ganze Synedrium zusammenkommen sollten; und er führte Paulus hinab und stellte ihn vor sie.
Der Oberste sieht, wie die Sache wieder eskaliert und ergreift Maßnahmen. Es reicht ihm, dass durch diesen Mann die Sache zum zweiten Mal aus dem Ruder läuft. Da Paulus seine Ansprache in Hebräisch gehalten hat, hat er möglicherweise nichts verstanden. Das wird ihn gehörig frustriert haben. Er tappt im Dunkeln über das, was gesagt wurde. Nun müssen die unbekannten Absichten aus dem Mann herausgeholt werden. Wenn er gegeißelt wird, wird er schon die Wahrheit sagen. Während sie die Vorbereitungen dazu treffen, bittet Paulus, ihm die rechtliche Grundlage für die Behandlung zu erklären, die er über sich ergehen lassen soll, obwohl er römischer Bürger ist. Paulus hatte dazu das Recht.
Er anerkannte die Obrigkeit als von Gott eingesetzt zum Segen derer, die Gutes tun (Röm 13,3). Darauf weist er die Obrigkeit hier hin.
Es kann sein, wie schon mal geäußert wurde, dass Paulus hier nicht in Übereinstimmung mit seiner hohen Berufung ist. In gewisser Hinsicht ist er durch eigenes Dazutun in diese Schwierigkeiten geraten. In Philippi berief er sich nicht auf sein Bürgerrecht, als er ungerecht behandelt wurde (Apg 16,23). Er tat das wohl, als sie ihn kurze Zeit später heimlich freilassen wollten, weil es dort der Sache Christi diente (Apg 16,37). Doch hier geht es um ihn selbst. Vorher hatte er erklärt, dass er Jude sei, jetzt erklärt er, dass er Römer sei. Beides war keine Sünde, doch war das die Kraft des Heiligen Geistes und das Zeugnis in Bezug auf Christus? Wir können jedoch mit demselben Recht fragen, an welcher Stelle der Herr von den Seinen verlangt, dass sie sich unnötigen Leiden aussetzen. Ganz allgemein können wir sagen, dass für alle gilt, die das Verhalten des Apostels hier kritisieren, dass es leichter ist, ein Märtyrer in der Theorie als in der Praxis zu sein.
Weil Paulus sich auf sein römisches Bürgerrecht beruft, werden die Vorbereitungen für die Geißelung abgebrochen. Der Hauptmann geht davon aus, dass Paulus die Wahrheit redet und informiert seinen Vorgesetzten. Der Oberste will Sicherheit darüber haben und fragt Paulus, ob er ein Römer sei. Paulus bestätigt die Frage kurz und bündig mit: „Ja“. Er lässt sich nicht weiter darüber aus, was das alles beinhaltet. Es geht ihm nur darum, darauf hinzuweisen, dass etwas geschieht, was im Widerspruch steht zu dem Recht, auf das Rom so stolz ist.
Der Oberste sieht Paulus argwöhnisch an. Jeder kann behaupten, dass er ein Römer sei. Er selbst hat dieses Bürgerrecht für viel Geld gekauft, denn das römische Bürgerrecht verschaffte viele Vorteile. Woher sollte dieser kleine Mann das Geld haben? Doch Paulus hatte aufgrund seiner Geburt in Tarsus automatisch dieses Bürgerrecht.
Die Tatsache, dass Paulus sich auf sein römisches Bürgerrecht berufen hat, befreit ihn unmittelbar von der drohenden Geißelung. Der Oberste will aber immer noch wissen, woran er bei Paulus ist. Er lässt Paulus die Fesseln abnehmen und befiehlt dem Hohenpriester und dem gesamten Synedrium, zusammenzukommen. Der Oberste stellt Paulus nicht vor das Synedrium, weil es ein Gericht ist, sondern um durch die Konfrontation der beiden Parteien zu erfahren, worum es hier eigentlich geht.
Hier zeigt sich die Macht der Römer über das religiöse System der Juden. Das macht auch deutlich, wie groß die Knechtschaft im Blick auf die Nationen wirklich ist, in die das Volk Gottes wegen seiner Sünden geraten ist. Daran sieht man ebenfalls, wie blind und anmaßend das Volk ist, wenn es sich über die Tatsache aufregt, dass das Heil Gottes sich zu den Nationen erstreckt.