Verse 11 | Propheten und Nasiräer
Und ich habe Propheten erweckt aus euren Söhnen und Nasiräer aus euren Jünglingen. Ja, ist es nicht so, ihr Kinder Israel?, spricht der HERR.
In den vorangegangenen Versen haben wir das Zeugnis aller Wohltaten Gottes, die Er dem ganzen zwölfstämmigen Volk erwiesen hat. Aber Gottes Fürsorge für sein Volk zeigt sich auch in den Mitteln, die Er seinem Volk zur Verfügung gestellt hat, damit es zu Ihm zurückkehren würde. An erster Stelle steht das Zeugnis der „Propheten“. Sie haben seine Worte gesprochen. Zweitens verweist Amos auf das Zeugnis der Nasiräer. Sie haben durch ihr Leben gesprochen. Propheten haben in ihrer Predigt verkündet, wer Gott ist, Nasiräer haben in ihrem Leben gezeigt, wer Gott ist.
Propheten sprechen in der Regel, wenn das Volk von Gott abgewichen ist. Dann lässt Gott sie sein Wort zu seinem Volk predigen, um es zur Buße aufzurufen und zu Ihm zurückzukehren. Vor Amos haben viele Propheten zu dem ganzen Volk, den zwölf Stämmen, gesprochen (Heb 1,1a). Wir können zum Beispiel an Mose und Samuel denken. Aber selbst inmitten der zehn Stämme, die keinen Tempel, Altar oder Priestertum hatten, hat sich Gott nicht unbezeugt gelassen. Vor allem Elia und Elisa haben in den zehn Stämmen gewirkt. Auch danach sandte Gott Boten, die aus ihrer eigenen Mitte kamen und ihre Sprache sprachen.
Ein besonderes Zeugnis wurde von Gott in den Nasiräern gegeben. Obwohl wir nicht viel über die Nasiräer lesen, müssen sie aufgrund des Zitats von Amos einen wichtigen Platz unter dem Volk gehabt haben. Das Wort „Nasiräer“ – im Hebräischen nazir – bedeutet „abgesondert“. Dies zeigt die Hingabe an Gott, was im praktischen Leben sichtbar wird.
Um sich abzusondern und sich Gott zu weihen, legt der Nasiräer ein besonderes Gelübde ab. Wir lesen darüber in 4. Mose 6. Ein Nasiräer zu werden, beruht auf Freiwilligkeit. Doch wenn jemand, „ein Mann oder eine Frau“ (4Mo 6,2), es werden will, dann verbindet Gott damit Vorgaben. Diese Bedingungen sind, dass eine solche Person
von der Frucht des Weinstocks nichts genießen darf,
das Haar lang wachsen lassen muss und
keine tote Person berühren darf (4Mo 6,3-6).
In ihrer Anwendung auf uns sind diese Bedingungen wie folgt zu „übersetzen“. Jemand, der sich Gott weihen will,
verzichtet freiwillig auf irdische Freuden – Wein ist ein Bild von Dingen, die an sich nicht schlecht sind (Ri 9,13),
nimmt einen untergeordneten Platz ein, wovon das lange Haar der Frau ein Bild ist (1Kor 11,1-16), was auch heute noch gültig ist; und
berührt nichts von allem, was nicht mit dem lebendigen Gott in Verbindung steht – das ist das Kennzeichen des Todes.
Es ist ein großer Segen Gottes, wenn Er unter seinem Volk solche Menschen erweckt, die in Hingabe an Ihn leben wollen. Sie sind ein geistlicher Segen für das ganze Volk, auch wenn sie noch jung sind. An irdischen Segnungen können sich auch die heidnischen Nationen erfreuen. Deshalb weist Amos auf den geistlichen Segen hin, den diese Gaben Gottes seinem Volk bringen. Dieser geistliche Segen geht dem irdischen voraus, denn der irdische Segen hängt von ihrem geistlichen Zustand ab. Um diesen in Übereinstimmung mit Gott zu bringen, lässt Er durch seine Propheten hören, was Er von seinem Volk will. Durch die Propheten, die Er sendet, hält er die Verbindung zu seinem Volk aufrecht.
Obwohl 4. Mose 6 besagt, dass jemand Nasiräer wird aufgrund einer freiwilligen Entscheidung, ist deutlich, dass ein solches Gelübde aus einem inneren Antrieb durch den Geist bewirkt wird. Auch das Leben als Nasiräer kann nur unter der Kraft und Führung des Geistes Gottes geschehen. Deshalb können neben den Propheten auch die Nasiräer als eine Gabe Gottes betrachtet werden. Im Nasiräer kann das Volk seine eigene Berufung zur
Hingabe an Gott sehen, während es gleichzeitig erkennt, dass der HERR auch die Kraft gibt, dies in der Praxis umzusetzen.
Obwohl die Nasiräerschaft nicht an ein Lebensalter gebunden ist, spricht Amos hier von „euren Jünglingen“. Gott will vor allem junge Menschen nutzen, um seinem Volk zu zeigen, was ein Leben der Hingabe bedeutet. Was haben wir heute auch in der Christenheit einen großen Bedarf an jungen Christen, die freiwillig Dinge ablehnen, denen sich Gleichaltrige hingeben, um sich ganz der Sache Gottes zu widmen. Bitten wir Gott, dies in den Herzen von viel mehr jungen Menschen zu tun. Ein Beispiel für den Segen, den eine solche Widmung gibt, findet sich in Jeremia 35 (Jer 35,1-19).
Mit seiner Frage „ist es nicht so?“ betont Gott seine Gaben der Propheten und der Nasiräer. Er fordert sein Volk auf zu beurteilen, ob seine Bemerkungen richtig sind. Solche Fragen dienen dazu, das Gewissen anzusprechen und zum Nachdenken anzuregen, um so Einsicht in das Handeln Gottes zu gewinnen. Wer diesem von ganzem Herzen zustimmt, wird zu Ihm zurückkehren. Gott will die Menschen in sein Handeln einbeziehen und sie, indem sie darüber nachdenken, zur Erkenntnis bringen, dass es keinen anderen Weg gibt.