Behandelter Abschnitt Klgl 4,11-16
Verse 11–16 | Bekenntnis der Ursache des Elends
Der HERR hat seinen Grimm vollendet, seine Zornglut ausgegossen; und er hat in Zion ein Feuer angezündet, das seine Grundfesten verzehrt hat.
Die Könige der Erde hätten es nicht geglaubt, noch alle Bewohner des Erdkreises, dass Bedränger und Feind in die Tore Jerusalems kommen würden.
Es ist wegen der Sünden seiner Propheten, der Ungerechtigkeiten seiner Priester, die in seiner Mitte das Blut der Gerechten vergossen haben.
Sie irrten blind auf den Straßen umher; sie waren mit Blut befleckt, so dass man ihre Kleider nicht anrühren mochte.
„Weicht! Unrein!“, rief man ihnen zu. „Weicht, weicht, rührt nicht an!“ Wenn sie flüchteten, so irrten sie umher; man sagte unter den Nationen: Sie sollen nicht länger [bei uns] weilen!
Das Angesicht des HERRN hat sie zerstreut, er schaut sie nicht mehr an. Auf die Priester hat man keine Rücksicht genommen, an Greisen keine Gnade geübt.
In diesen Versen hören wir ein ausführliches Bekenntnis der Ursache des Elends. All dies widerfährt Zion, weil der HERR seinen Grimm vollendet hat (Vers 11). „Vollendet“ bedeutet auch „voll zum Ausdruck gebracht“ oder „ausgeführt“ hat. Daher dieses schreckliche Schicksal. Der HERR hat Zion mit dem Feuer seines Zorns vernichtet. Nicht Nebukadnezar, sondern Er hat das Feuer angezündet, das die Grundmauern der Stadt verzehrt hat, sodass nichts mehr übrig ist, was noch eine Stadt genannt werden könnte.
Jeder weiß, dass Jerusalem eine starke, uneinnehmbare Stadt war (Vers 12). Es war undenkbar, dass sie eingenommen werden könnte. Doch genau das ist nun geschehen, denn man hat nicht mit Gottes Heiligkeit gerechnet. Er kann die Sünde nicht ungestraft lassen, auch nicht bei seiner auserwählten Stadt und seinem Volk.
Die Ursache für den Zustand der Stadt sind die Sünden und Ungerechtigkeiten der geistlichen Führer des Volkes, der falschen Propheten und Priester (Vers 13). Gott hat der Stadt seinen Schutz nicht weiter gewähren können. An ihr klebt das Blut der Gerechten, die mit den Ungerechten umgekommen sind.
Die Propheten sind hier die falschen Propheten, die, anstatt dem Volk den Willen Gottes zu zeigen, das geweissagt haben, was in ihren eigenen Herzen aufgekommen ist und was den Menschen angenehm war. Die Priester hatten die Aufgabe, Gottes Gesetz zu erklären, sind aber selbst zu den gröbsten Gesetzesbrechern geworden und haben das Volk auf einen Weg der Sünde geführt, der nun dieses Gericht verursacht hat.
Diese erlesene Gesellschaft von Propheten und Priestern hat Blut an ihren Händen. Sie haben diejenigen getötet, die sie vor dem kommenden Gericht gewarnt haben (vgl. Mt 23,35). Und nicht nur das. Sie haben die warnenden Stimmen zum Schweigen gebracht, sodass das Gericht unausweichlich geworden ist.
Diese Verführer irren blind auf den Straßen umher (Vers 14). Sie sehen schrecklich aus in ihrem blutbefleckten Gewand. Es ist das äußere Zeichen ihres Handelns, in dem sie das Blut von Gerechten vergossen haben. Sie tragen das Zeichen Kains und müssen wie Aussätzige behandelt werden (Vers 15).
Das Ansehen, das sie unter dem Volk hatten, ist völlig dahin. Das fehlgeleitete Volk, das selbst auch durch seine Sünden unrein ist, vertreibt nun diese falschen Propheten und Priester. Es schreit ihnen wütend zu, dass sie weggehen sollen. Sie rufen das, wozu eigentlich Aussätzige verpflichtet waren, es von sich selbst auszurufen (3Mo 13,45). Als ob sie aussätzig wären, werden sie von allen vertrieben und man gönnt ihnen keine Bleibe in der Gefangenschaft unter den Nationen.
In Vers 16 endet das zweite Sündenbekenntnis, das zugleich ein Glaubensbekenntnis ist. Tatsächlich werden die falschen Bekenner nicht vom Volk, sondern vom HERRN zerstreut, sodass sie ihren bösen Einfluss nicht mehr ausüben können. Das liegt daran, dass sie keine Ehrfurcht vor den wahren Priestern hatten und an Alten keine Gnade bewiesen haben.