Behandelter Abschnitt Jer 2,4-8
Verse 4–8 | Israels Undankbarkeit
4 Hört das Wort des HERRN, Haus Jakob und alle Familien des Hauses Israel! 5 So spricht der HERR: Was haben eure Väter Unrechtes an mir gefunden, dass sie sich von mir entfernt haben und der Nichtigkeit nachgegangen und nichtig geworden sind? 6 Und sie sprachen nicht: Wo ist der HERR, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat, der uns leitete in der Wüste, im Land der Steppen und der Gruben, im Land der Dürre und des Todesschat- tens, im Land, durch das niemand zieht und wo kein Mensch wohnt? 7 Und ich brachte euch in ein Land der Baumgärten, damit ihr seine Frucht und seinen Ertrag äßet; und ihr seid hingekommen und habt mein Land verunreinigt, und mein Erbteil habt ihr zum Gräuel gemacht. 8 Die Priester sprachen nicht: „Wo ist der HERR?“ Und die, die das Gesetz handhabten, kannten mich nicht, und die Hirten fielen von mir ab; und die Propheten weissagten durch den Baal und sind denen nachgegangen, die nichts nützen.
Jeremia spricht das Wort des HERRN zum „Haus Jakob und allen Familien des Hauses Israel“ (Vers 4). Damit wird das ganze Volk angesprochen. Außerdem sehen wir in dieser Anrede, dass auch die Familien angesprochen werden. Die Familien sind die Grundlage der gesamten Existenz des Volkes und bestimmen den geistlichen Zustand des Volkes als Ganzes.
Die Anklage beginnt mit Fragen, die das Gewissen aufwecken sollen. Die Erinnerung an die Geschichte, an das, was ihre Väter getan haben, sollte zu ihnen sprechen (Vers 5). Sie sind nicht besser als ihre Väter, sondern genau wie sie. Das sollen sie erkennen. Es ist ergreifend, lesen zu müssen, dass der HERR ihnen die Frage stellt, welches Unrecht ihre Väter an Ihm gefunden haben. Die erstaunte Antwort könnte sein, dass dies ganz und gar nicht der Fall ist.
Aber dann macht der HERR deutlich, dass ihre ganze Haltung zeigt, dass sie Ihn der Untreue beschuldigen. Sonst hätten sie Ihn doch nicht fern von sich gehalten. Das deutet darauf hin, dass sie Ihm misstrauen. Sonst wären sie, statt Ihm zu folgen, doch nicht den Götzen nachgelaufen, was sie übrigens diesen Nichtigkeiten gleich gemacht hat. Was sie anbeten, besteht für den HERRN nicht (vgl. 1Kor 8,4b). Wie töricht ist es, etwas zu erwarten von dem, was nichts ist.
In Vers 5 steht, was das Volk getan hat. In Vers 6 steht, was sie nicht getan haben. Sie haben nicht daran gedacht, was der HERR bei ihrer Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten und ihrer Bewahrung während der Wüstenwanderung getan hat. Er führte sie aus Ägypten heraus „mit ausgestrecktem Arm und durch große, furchtbare Taten“ (5Mo 4,34) und führte sie mit sanfter Hand durch die Wüste. Dass sie dies alles vergessen haben, zeugt von der größtmöglichen Undankbarkeit. Es ist ein schuldhaftes Vergessen.
Über die Schrecken der Wüste wird eindrücklich berichtet. Die Wüste, durch die sie gegangen sind, ist ein Land der Steppen und Gruben, der Dürre und des Todesschattens, ein äußerst einsamer, unbewohnbarer Ort. Es gibt keinen begehbaren Weg und keinen Ort der Ruhe. Das Einzige, wozu die Wüste dienen kann, ist als Begräbnisplatz.
Diese Darstellung der Umstände geschieht, um dem Volk deutlich zu machen, dass sie es aus eigener Kraft niemals geschafft hätten. Nur durch die treue Fürsorge und Führung des HERRN haben sie das verheißene Land erreicht, in dem sie nun wohnen. Auch wir müssen uns der Unwirtlichkeit der Welt bewusst sein und darüber, dass dort die Sünde und der Tod regiert. Das wird uns helfen, uns ganz der Fürsorge und Führung des Herrn anzuvertrauen, um sicher hindurchzukommen.
Nach der Wüstenwanderung brachte Er sie, wie Er es verheißen hatte, in sein Land. Jeremia spricht von einem „Land der Baumgärten“, voll von Früchten und „Ertrag“ zum Essen (Vers 7; 5Mo 8,7.9). Der Kontrast zu dem Gebiet, das er im vorherigen Vers beschreibt, ist enorm. Aber anstatt den HERRN für die außergewöhnliche Fruchtbarkeit nach so viel Unfruchtbarkeit dankbar zu sein, haben sie sein Land verunreinigt und sein Eigentum zu einem Gräuel, d. h. zu etwas Abscheulichem gemacht. Sie haben dies getan, indem sie den Götzendienst einführten.
Die vier Gruppen, die in Vers 8 erwähnt werden – Priester, die, die das Gesetz handhaben, Hirten und Propheten – hätten wie Säulen im Volk sein sollen, die Gottes Gebote lehren, und auch lehren, wie sie zu halten sind. Doch sie führten das Volk vom HERRN weg:
„Die Priester sprachen nicht: „Wo ist der HERR?““ Diejenigen, die dazu berufen sind, in seiner Gegenwart mit Opfern im Namen des Volkes zu sein, fragen überhaupt nicht nach Ihm. Der Vorwurf an die Priester ist, dass sie diese Frage nicht stellen. Sie zu stellen, hätte das Volk zu dem Ort geführt, den der HERR erwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen.
„Die, die das Gesetz handhabten [die Leviten], kannten mich nicht.“ Diejenigen, die dem Volk das Gesetz auslegen sollten (5Mo 33,10a; Mal 2,7), kennen den nicht, der im Mittelpunkt des Gesetzes steht.
„Die Hirten“, die im Auftrag des HERRN für die Herde sorgen sollen, eignen sich diese Herde an und „fielen von“ dem HERRN „ab“ (vgl. Hes 34,1-6).
„Die Propheten“, die im Namen des HERRN das Volk Gottes zur Rückkehr zu Ihm aufrufen sollten, „weissagten durch den Baal“.
Die abschließende Bemerkung in Vers 8 drückt das Ergebnis aus. Sie folgten nicht dem HERRN, sondern „sind denen nachgegangen, die nichts nützen“. Die Führer, die Verführer sind, führten das Volk auf den Weg des Götzendienstes. Götzen geben keinerlei Segen, keinen vorübergehenden und noch viel weniger geistlichen Segen. Was für eine schockierende und beschämende Situation unter den Leitern des Volkes Gottes und was für eine entsetzliche Abweichung vom HERRN haben sie unter dem Volk angerichtet!