Behandelter Abschnitt Jes 10,12-15
Verse 12–15 | Der Stolz Assyriens
12 Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen heimsuchen. 13 Denn er hat gesagt: Durch die Kraft meiner Hand und durch meine Weisheit habe ich es getan, denn ich bin verständig; und ich verrückte die Grenzen der Völker und plünderte ihre Schätze und stieß, wie ein Gewaltiger, Thronende hinab. 14 Und meine Hand hat den Reichtum der Völker erreicht wie ein Nest, und wie man verlassene Eier zusammenrafft, so habe ich die ganze Erde zusammengerafft; da war keiner, der den Flügel regte oder den Schnabel aufsperrte und zirpte. 15 Darf die Axt sich gegen den rühmen, der damit haut, oder die Säge sich gegen den brüsten, der sie zieht? – als schwänge ein Stock die, die ihn emporheben, als höbe ein Stab den empor, der kein Holz ist!
Der HERR kennt die stolzen Gedanken des Königs von Assyrien, der nur so lange erfolgreich sein wird, wie es zur Erfüllung von Gottes Plan passt. Wenn Assyrien das Werk des Herrn (Adonai) vollbracht hat, wird Er mit dem König von Assyrien abrechnen (Vers 12). Sein Werk hat zum Ziel, dass ein Überrest seines Volkes sich zu Ihm bekehrt und die gottlose Masse gerichtet wird. Das vergeltende Gericht der Zuchtrute kommt nicht so sehr über die Person des Königs von Assyrien, sondern über „die Frucht der Überhebung … und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen“. Sein Stolz treibt ihn an und die Überheblichkeit seiner Augen zeigt das völlige Fehlen der Erkenntnis Gottes.
Wir sehen in den alttestamentlichen Prophezeiungen oft, dass es eine direkte Vorerfüllung in den Tagen des Propheten, oder kurz danach, gab, und eine endgültige Erfüllung in der Endzeit sein wird. Dies ist auch hier der Fall. Assyrien will Jerusalem einnehmen, wird aber von Gott gerichtet werden, sobald Er sein Werk durch diesen Feind getan hat, indem Er ihn als Zuchtrute für sein Volk benutzt. Die direkte Erfüllung sehen wir in den Tagen Hiskias (2Kön 19,35-37). Die endgültige Erfüllung sehen wir in der Zukunft beim Vormarsch und der Vernichtung des Königs des Nordens (Dan 11,45). Dies wird geschehen, wenn er und seine Heere aus Ägypten zurückkehren (Dan 11,40-44).
Der König von Assyrien ist voller Selbstüberschätzung. Er spricht von „der Kraft meiner Hand“ und „meiner Weisheit“ als den Mitteln, mit denen er seine Erfolge erzielt hat (Vers 13). Kraft und Weisheit sind für einen Herrscher unerlässlich. Auch der Messias besitzt diese Eigenschaften (Jes 11,2; 1Kor 1,24). Er setzt seine Kraft in Weisheit ein. Jemand, der sich dieser Eigenschaften als etwas aus sich selbst rühmt und bei dem Kraft vor Weisheit geht, ist ein törichter Angeber und ein rücksichtsloser Diktator.
Er rühmt sich, dass er die von Gott gesetzten Grenzen zwischen den Völkern (5Mo 32,8; vgl. Hiob 24,2a) weggenommen und die Völker mit größter Leichtigkeit ausgeplündert hat. Er fühlt und präsentiert sich selbst auch als Gott, wenn er sagt, dass er „wie ein Gewaltiger, Thronende“ hinabgestoßen hat. Das geht auch aus den Worten „ich“ und „mein“ hervor, von denen die Verse 13 und 14 voll sind (vgl. Hab 1,11). Es ist die Sprache, die auch der „Mensch der Gesetzlosigkeit“ (2Thes 2,3.4), also der Antichrist, verwendet.
Er fährt fort, sich weiterhin als den unangefochtenen Herrscher zu beschreiben, gegen den niemand Widerstand zu leisten wagt. Er unterstreicht seine Erhabenheit durch einen Vergleich mit jemandem, der einem Vogel die Eier aus dem Nest nimmt (Vers 14). Der Vogel auf dem Nest wird weggejagt und muss hilflos zusehen, wie die Hand die Eier aus dem Nest nimmt. Auf diese Weise hat Assyrien das Vermögen der Völker weggenommen und die ganze damalige Welt unter seine Gewalt gebracht. Niemand durfte sich diesen Aktionen widersetzen oder gar dagegen protestieren.
Der HERR setzt der Prahlerei ein Ende. Er zeigt im Bild von „Axt“, „Säge“, „Stock“ und „Stab“, dass der König von Assyrien nicht mehr ist als ein Werkzeug in seiner Hand und nur das tut, was seine ausgestreckte Hand will (Vers 15). So wie diese Werkzeuge kein Mitspracherecht bei dem haben, der sie benutzt, so hat auch der König von Assyrien kein Mitspracherecht beim HERRN.