Behandelter Abschnitt Spr 18,17-19
Verse 17–19 | Eine Streitsache und Zwistigkeiten
Der Erste in seiner Streitsache hat Recht; doch sein Nächster kommt und forscht ihn aus. 18 Das Los schlichtet Zwistigkeiten und bringt Mächtige auseinander. 19 Ein Bruder, an dem man treulos gehandelt hat, widersteht mehr als eine feste Stadt; und Zwistigkeiten sind wie der Riegel einer Burg.
Die erste Verszeile von Vers 17 bestätigt die allgemeine Erfahrung, dass der, der als Erster seine Streitsache darlegen darf, Recht zu haben scheint. Aber bevor wir ihn für „gerecht“ erklären, muss sein Nächster gehört werden und Gelegenheit gegeben werden, seinen Standpunkt zur Streitsache darzulegen. Dieser Spruch erinnert uns daran, dass es zwei Parteien in einer Streitsache gibt – zum Beispiel über etwas geschäftliches, häusliches oder religiöses – und dass beide Parteien in einer Streitsache gehört werden müssen.
Das ist eine weitere Warnung vor vorschnellem Urteilen (Vers 13). Zuvor müssen alle Fakten bekannt sein. Wir finden sie nur heraus, wenn wir beide Seiten anhören. Es muss ein gerechtes Verfahren („hören und gehört werden“) geben. Erst nachdem beide Parteien gehört wurden, kann ein gerechtes Urteil folgen: „Und ich gebot euren Richtern in jener Zeit und sprach: Hört die Streitsachen zwischen euren Brüdern und richtet in Gerechtigkeit zwischen einem Mann und seinem Bruder und dem Fremden bei ihm“ (5Mo 1,16). Jeder muss die Möglichkeit bekommen, den Fall aus seiner Sicht darzustellen.
Der Erste kann seine Geschichte sehr überzeugend darlegen, aber wenn der Nächste seine Geschichte erzählt, kann sich die Sache in Teilen als anders erweisen, als wir nach dem ersten Redner dachten. Das sollte in allen Fällen, in denen es Meinungsverschiedenheiten gibt, bedacht werden. Dies kann zum Beispiel in einer Familie zwischen den Kindern, zwischen den Ehepartnern und auch zwischen Geschwistern einer örtlichen Gemeinde der Fall sein.
Vers 18 könnte ein Fall sein, bei dem beide Parteien von Vers 17 gesprochen haben, aber die Frage, wer Recht hat, nicht geklärt ist. Es ist ein Streit zwischen „Mächtigen“, Menschen, die eine wichtige Stellung einnehmen. Sie können beide ihren Prozess mit Überzeugung verteidigen. Da bleibt dann nur noch das Los übrig, diese Mächtigen zu beschwichtigen, um die Zwistigkeiten zu lösen und einem Recht zu geben.
Wenn beide Parteien anerkennen, dass Gott durch das Los die Zwistigkeiten beendet (Spr 16,33) und das Ergebnis akzeptieren, sind die Zwistigkeiten aus der Welt. Das ist besser als ein Kräftemessen, bei dem andere immer die Opfer sind. Heute haben wir Gottes Wort und Gottes Geist und geistlich gesinnte Gläubige, die eine Rechtssache beurteilen können (1Kor 6,1-8).
Es gibt aber auch Zwistigkeiten, bei denen selbst das Los keine Chance hat, eine Lösung zu bringen. Dies ist der Fall, wenn man an einem Bruder „treulos gehandelt hat“ (Vers 19). Diese Treulosigkeit wurde dem Bruder während eines Streits angetan. Da wurde er auf eine Weise behandelt, die ihn so tief verletzte, dass er sich zurückzog und jeden Kontakt verweigerte.
Er „widersteht mehr als eine feste Stadt“. Das bedeutet, dass eine befestigte Stadt leichter zu erobern ist, als sich ihm wieder zu nähern, um das treulose Handeln ungeschehen zu machen. Die Stadt, in die er sich zurückgezogen hat, ist eine Festung. Die Streitigkeiten, die der Treulosigkeit zugrundeliegen, sind „wie der Riegel einer Burg“. Das bedeutet, dass er den Zugang zu seinem Herzen verbarrikadiert hat.
Dieser Spruch ist eine Beobachtung ohne Kommentar. Für uns ist es ein Ansporn, an einem Bruder nicht treulos zu handeln, was ihn zu einer solchen Haltung führen würde. Wenn ein Bruder oder eine Schwester dennoch in eine solche Gesinnung gerät, sollte es nicht bei einer Beobachtung oder Feststellung bleiben. Die Liebe wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um den gekränkten Bruder zu gewinnen und in seiner Beziehung zum Herrn und zu seinen Mitgeschwistern wiederherzustellen.
Spr 18,20.21 | Die Frucht unserer Worte
20 Von der Frucht des Mundes eines Mannes wird sein Inneres gesättigt, vom Ertrag seiner Lippen wird er gesättigt. 21 Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge, und wer sie liebt, wird ihre Frucht essen.
Die guten, erbaulichen Worte, die wir mit unserem „Mund“ und unseren „Lippen“ sprechen, geben uns innerliche Genugtuung (Vers 20). Sie sind wie der Same einer guten Frucht, der einen guten Ertrag oder eine gute Ernte bringt. Dieser Spruch ist ein Ansporn, den Worten, die wir sprechen, ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie den Früchten der Bäume, von denen wir essen. Wenn wir gesunde Früchte essen, bleiben wir gesund; wenn wir ungesunde Früchte essen, werden wir krank. Wenn unsere Worte vorsichtig, gottesfürchtig und gut sind, „in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6), um damit anderen zu dienen, werden wir selbst gesättigt. Das gibt Genugtuung und ein gutes Gewissen.
Wir können „sein Inneres“ auch auf das Gewissen anwenden. Um das Innere zu sättigen, das bedeutet, ein gutes Gewissen zu behalten, müssen wir darauf achten, was wir sagen. Neben der direkten Sättigung gibt es auch einen späteren Ertrag oder eine spätere Ernte. Auch wenn wir den „Ertrag“ unserer weisen, vernünftigen, gottesfürchtigen Worte sehen, nämlich die Wirkung, die sie haben, bewirkt das eine tiefe Befriedigung. Es können Worte sein, die wir sprechen, wenn wir Ratschläge geben, aber auch Antworten auf Fragen, die uns gestellt werden.
Vers 21 veranschaulicht noch einmal deutlich, wie die Wirkung unserer Worte sein kann. Welche Art von Worten säen wir: für den Tod oder für das Leben? Diese Frage ist besonders wichtig für den, der „sie liebt“, für den, der „die Zunge“ liebt. Es geht um eine falsche Liebe, nämlich um jemanden, der sein vieles Reden genießt. Er wird die Frucht dessen essen, was er sagt. Was er sagt, wird zu ihm zurückkehren. Der Tor sät Worte, die Tod und Zerstörung bringen; der Weise sät Worte, die Leben zur Folge haben. Falsche Lehrer säen Worte mit einem Keim des Todes und der Zerstörung; die Botschafter für Christus verkünden das Leben.