Behandelter Abschnitt Ps 119,167
Verse 169–176 | /Taw/ Das Zeichen des Kreuzes
169 Lass mein Schreien nahe vor dich kommen, HERR; gib mir Einsicht nach deinem Wort! 170 Lass mein Flehen vor dich kommen; errette mich nach deiner Zusage! 171 Meine Lippen sollen [dein] Lob hervorströmen lassen, wenn du mich deine Satzungen gelehrt hast. 172 Meine Zunge soll laut reden von deinem Wort, denn alle deine Gebote sind Gerechtigkeit. 173 Lass deine Hand mir zu Hilfe kommen, denn ich habe deine Vorschriften erwählt. 174 Ich sehne mich nach deiner Rettung, HERR; und dein Gesetz ist meine Wonne. 175 Lass meine Seele leben, und sie wird dich loben; und deine Rechte mögen mir helfen! 176 Ich bin umhergeirrt wie ein verlorenes Schaf; suche deinen Knecht, denn ich habe deine Gebote nicht vergessen!
Der Buchstabe taw ist der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets. Das ursprüngliche Piktogramm dieses Buchstabens ist ein „Kreuz“ und hat die Bedeutung von „Zeichen“, „Bund“. Diese Aspekte finden wir im Blut Christi wieder. In 2. Mose 12 lesen wir darüber in dem Bild des Blutes an den Häusern der Israeliten: „Und das Blut soll euch zum Zeichen sein an den Häusern, worin ihr seid; und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen“ (2Mo 12,13a). Das Blut, das an die Türpfosten und Oberschwellen dieser Häuser gestrichen wird, hat die Form eines Kreuzes. Vergleichen Sie das Zeichen oder Kreuz auf den Stirnen der Übriggebliebenen in Hesekiel 9 (Hes 9,4).
Der Herr Jesus nennt sich selbst „das Alpha und das Omega“, den ersten und den letzten Buchstaben des griechischen Alphabets (Off 1,8,11; 21,6; 22,13). Im Hebräischen wären das „das Aleph und das Taw“. Das Aleph steht für einen Ochsen oder Stier, das Tier für das Brandopfer. Das Taw steht für das Kreuz oder den Altar, auf dem das Brandopfer dargebracht wird. Der Herr Jesus ist also gleichzeitig das Opfertier, der Altar und der Priester, der das Opfer bringt.
Der Psalmist versteht, dass sein Problem nicht nur durch äußere Feinde verursacht wird, sondern dass er ein Problem in sich selbst hat. Er selbst hat gesündigt, er hat sich verirrt wie ein verlorenes Schaf (Vers 176). Was er braucht, ist den Hirten, der sein Leben am Kreuz für seine Schafe hingegeben hat. Der Hirte musste herabsteigen und ihn in seinem verlorenen Zustand suchen (Lk 15,4-7). Ein verlorenes Schaf kann sich nicht selbst retten. Der Mensch, der sich dessen bewusst ist, erkennt, dass seine Hilfe von außen kommen muss (vgl. Röm 7,24). Er begreift auch, dass seine Rettung nicht von etwas, sondern von jemandem kommt.
In der letzten Strophe wird der Wert des Wortes in all seinen für unser Leben relevanten Aspekten besungen. Die klangliche Stärke der Ansprache an Gott scheint hier am höchsten zu sein. Der Psalmist schreit zu Gott (Vers 169). Das hat er in diesem Psalm schon öfter getan, aber hier stellt er sein Schreien als eine Person dar, für die er Gott bittet, dass diese Person „vor“ ihn treten möge. Er ist ein Schreiender nach Einsicht gemäß seinem Wort. Er möchte in allen Dingen Einsicht gewinnen, nicht aus menschlichem Denken, sondern aus Gottes offenbartem Willen in seinem Wort.
Derjenige, der sich nach Einsicht nach Gottes Wort sehnt, ist auch ein besonderes Ziel der Angriffe des Feindes (Vers 170). Deshalb kommt er nicht nur als jemand, der schreit, sondern auch als Flehender. Er bittet Gott, dass sein Flehen „vor“ Ihn kommen möge. Der Gottesfürchtige bittet um Errettung aus Gefahren gemäß Gottes Zusage. Schließlich hat Gott versprochen, dass Er die Seinen weder verlassen noch aufgeben wird. Der Feind wird alles tun, um unser Gebetsleben kraftlos zu machen (vgl. 1Pet 3,7).
Die Verse 169 und 170 bilden die beiden Themen von Psalm 119. Wir sehen in Vers 169 ein Gebet, in dem er um Einsicht bittet, und in Vers 170 ein Gebet um Befreiung auf der Grundlage der Zusagen aus Gottes Bund. Diese Gebete bilden die Grundlage für seinen Lobpreis (Vers 171), seine Unterweisung durch die Lieder (Vers 172; vgl. Kol 3,16), sein Ringen (Vers 173) und seine Wünsche (Vers 174).
Nachdem er sich Gott als Schreiender und Flehender vorgestellt hat, kommt er zu Gott als jemand, der Gott lobt (Vers 171). In Gottes Gegenwart kommen nicht nur Hilfeschreie über seine Lippen, sondern auch Lobgesänge (vgl. Phil 4,6). Das ist das Ergebnis der Unterweisung durch Gott in seinen Satzungen.
Sein Loblied besteht darin, die Worte Gottes zu singen (Vers 172). Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über. Das „Instrument“ dafür ist seine Zunge. In vielen zeitgenössischen „Lobliedern“ finden sich Aussagen, die nicht auf dem Wort Gottes beruhen, sondern im Widerspruch dazu stehen. Auch unsere Lobgesänge sollen mit dem Wort Gottes übereinstimmen (Eph 5,19). Dann wird Er sie gerne anhören. Das Thema des Liedes ist hier die Gerechtigkeit der Gebote Gottes.
Vers 171 und Vers 172 laufen parallel. Daraus ergibt sich eine Verdoppelung des Lobes. Der Lobpreis wird doppelt unterstrichen. Der Lobpreis zeigt, dass der Psalmist völlig überzeugt ist, dass der HERR kraft seines Bundes sein Gebet erhören wird. In Vers 171 preist er den HERRN als heiliger Priester; in Vers 172 spricht er zu den Mitgläubigen als königlicher Priester (1Pet 2,5.9; vgl. Ps 66,16).
Der Gerechte ist sich auch bewusst, dass er vom HERRN abhängig ist (Vers 173). Deshalb bittet er Ihn, dass seine Hand ihm zu Hilfe kommt. Er hat sich für die Vorschriften Gottes entschieden, um sie zu halten und sich für sie einzusetzen. Diese Entscheidung muss jeder Gläubige treffen. Die Hilfe des HERRN ist an sein Wort gebunden. Er kann niemandem helfen, der sich nicht vor seinem Wort beugt. Wir haben das Vorrecht, immer wieder freimütig zu dem Thron der Gnade hinzutreten, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe (Heb 4,16).
Der Gottesfürchtige sehnt sich nach der Rettung des HERRN (Vers 174). Damit meint er die Zeit der Segnungen des neuen Bundes unter der Regierung des Herrn Jesus. Darüber hat er in Gottes Wort gelesen, das seine „Wonne“ ist. Was uns betrifft, so sind wir ein für allemal durch den Glauben gerettet (Eph 2,8). In der gegenwärtigen Zeit müssen wir jedoch mit Furcht und Zittern unser eigenes Heil bewirken (Phil 2,12). In naher Zukunft werden wir die Erlösung unseres Leibes empfangen (Röm 8,23-25; 13,11; Phil 3,20.21).
Der Psalmist bittet den HERRN, seine Seele leben zu lassen (Vers 175). Nicht um das Leben zu genießen, sondern um den HERRN zu preisen (Ps 6,5). Er erkennt, dass er das nicht ohne die Hilfe des HERRN tun kann. Diese Hilfe, so weiß er, liegt in den Rechten Gottes. Das Wort Gottes gibt dem Lobpreis des HERRN Substanz.
Der letzte Vers ist ein Sündenbekenntnis mit dem Wunsch nach Wiederherstellung der durch die Sünde zerbrochenen Beziehung (Vers 176). Der Psalmist gibt zu, dass er „umhergeirrt“ ist „wie ein verlorenes Schaf“. Er erkennt auch an, dass er von dem guten Hirten gesucht wird, der sein Leben für seine Schafe hingegeben hat, denn er selbst kann den Weg nicht zurückfinden. Doch er weiß, an wen er sich wendet. Er weiß auch, dass er Gottes „Knecht“ ist. Er mag umhergeirrt sein, aber die Gebote Gottes hat er nicht vergessen.
So wie das Neue Testament mit der Aufforderung an die Sünder zur Umkehr endet, so endet der Psalmist hier mit der Notwendigkeit, dass das Volk Israel durch den Guten Hirten wiederhergestellt wird.