Behandelter Abschnitt Ps 116,12-19
Verse 12–19 | Danksagung
12 Wie soll ich dem HERRN alle seine Wohltaten an mir vergelten? 13 Den Becher der Rettungen will ich nehmen und anrufen den Namen des HERRN. 14 Ich will dem HERRN meine Gelübde bezahlen, ja, in der Gegenwart seines ganzen Volkes. 15 Kostbar ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Frommen. 16 Bitte, HERR, denn ich bin dein Knecht! Ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd; gelöst hast du meine Fesseln. 17 Dir will ich Opfer des Lobes opfern und anrufen den Namen des HERRN. 18 Ich will dem HERRN meine Gelübde bezahlen, ja, in der Gegenwart seines ganzen Volkes, 19 in den Vorhöfen des Hauses des HERRN, in deiner Mitte, Jerusalem. Lobt den HERRN!
Der Psalmist quillt nun über vor Dankbarkeit. Er ringt mit der Frage, wie er seine Dankbarkeit für einen so großen Gnadenbeweis ausdrücken soll (Vers 12). Glücklicherweise gab der HERR den Israeliten im Gesetz die Möglichkeit, ihre Dankbarkeit durch ein Friedensopfer und durch ein Gelübdeopfer auszudrücken (3Mo 7,11-21). Ein Friedensopfer ist ein Opfer, das aus Dankbarkeit dargebracht wird. Ein Gelübdeopfer ist ein Opfer, das der Opfernde in seiner Bedrängnis als Gelübde versprochen hat, und ist somit ein Pflichtopfer.
Der Psalmist spricht nicht von einer Wohltat, sondern von „alle seine Wohltaten“, was eine Vielzahl von Wohltaten voraussetzt. Gott hat ihn nicht nur vom Tod befreit, sondern auch von Ängsten, Bedrängnis, Kummer, Tränen und Sturz. Er hat ihn bewahrt und sich um ihn gekümmert.
Aber wie könnte er all diese Wohltaten zurückzahlen? Das ist doch unmöglich. Es gibt keine Gegenleistung, die irgendwie als Ausgleich dienen könnte. Doch es gibt einen Weg, wie man Gott für seine Taten danken kann. Nämlich indem man „den Becher der Rettungen“ nimmt und damit „den Namen des Herrn anruft“ (Vers 13).
Die Verse 13 und 14 laufen parallel zu den Versen 17 und 18. Der Becher der Rettungen in Vers 13 läuft parallel zum Opfer des Lobes in Vers 17. Bei einem Becher kommt es auf den Inhalt an. Der Inhalt ist hier die erfahrene Errettung. Das Nehmen des Bechers ist eine symbolische Handlung, die die Dankbarkeit für die Errettung zum Ausdruck bringt (vgl. 1Kor 10,16a). Es handelt sich um ein Trankopfer, das ein Feueropfer begleiten soll, wie ein Dankopfer und ein Gelübdeopfer (Verse 14.17.18). Das Trankopfer wird am Fuß des Brandopferaltars in Gegenwart des ganzen Volkes ausgegossen.
Es ist wie ein Hebopfer: Die Dankbarkeit wird über alles erhaben und Gott dargebracht. Gleichzeitig wird der Name des HERRN angerufen, jetzt nicht, um Ihn um Hilfe zu bitten, sondern um Ihn anzubeten und zu loben für das, was Er getan hat. Die Gläubigen des Neuen Testaments tun dies während der Feier des Abendmahls.
In seiner Verzweiflung hat der Psalmist Gelübde abgelegt (Vers 14). Diese will er nun erfüllen (vgl. Ps 66,13.14). Seine Gelübde hat er persönlich vor Gott abgelegt. Er will sie erfüllen, indem er das Gelübdeopfer mit dem dazugehörigen Trankopfer öffentlich, „in der Gegenwart seines ganzen Volkes“, Gott bezahlt. Das ganze Volk Gottes muss von seiner Hilfe und seinem Segen erfahren, damit es an der Freude über alle Wohltaten Gottes teilhaben kann. Dann können sie sich zusammenschließen, um Ihm den gebührenden Lobpreis zu geben.
Der Psalmist ist vor dem Tod gerettet. Aber es gibt Gläubige, die sterben. Es mag scheinen, dass ihre Gebete nicht erhört wurden. Der Psalmist weist dann unter der Führung des Heiligen Geistes darauf hin, dass ihr Tod „kostbar ist in den Augen des HERRN“ (Vers 15). Die Feinde haben Menschen, die sie nicht dabei haben wollten, getötet, aber für Gott sind sie „seine Frommen“. Sie stehen in seiner besonderen Gunst.
Der Tod der Gottlosen ist für den HERRN keine Freude (Hes 18,23; 33,11). Der Tod seiner Frommen – hebräisch chasid, d. h. derjenigen, die dem Bund treu sind – schon. Das Wort „kostbar“ hat die Bedeutung von „selten“. Der HERR hat dies bewiesen, indem Er den Psalmisten, der in den „Fesseln des Todes“ und in den „Bedrängnisse des Scheols“ (Vers 3) war, von ihnen befreit hat (Vers 8). Dies wird von den Frommen gesagt werden, dem Überrest, der in das Friedensreich eingehen wird.
Wir können dies prophetisch in einem anderen Sinn anwenden, nämlich auf die zweite Gruppe von Märtyrern im Buch der Offenbarung (Off 13,7). [Die erste Gruppe wird in Offenbarung 6 erwähnt (Off 6,9-11).] Über sie sagt eine Stimme aus dem Himmel: „Schreibe: Glückselig die Toten, die im Herrn sterben, von nun an! Ja, spricht der Geist, damit sie ruhen von ihren Arbeiten, denn ihre Werke folgen ihnen nach“ (Off 14,13). Paulus vergleicht sein eigenes Märtyrertum mit dem Ausgießen des Trankopfers über das Brandopfer (Phil 2,17).
Der Tod der Frommen Gottes liegt nicht außerhalb von Gottes Willen. Ihr Tod bedeutet nicht das Ende von Gottes Plänen für sie, sondern trägt dazu bei, seine hohen Pläne für sie zu verwirklichen. Sie werden Teil haben an der Auferstehung der Gerechten. Dann wird Er ihre Treue bis in den Tod mit „der Krone des Lebens“ (Off 2,10b) belohnen, und „dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters“ (Mt 13,43a).
Nach diesem Zwischenspiel über den Tod der Frommen fährt der Psalmist in Vers 16 fort, seine eigene Situation zu beschreiben. Er erklärt dem HERRN feierlich und mit großer Dankbarkeit, dass er sein Knecht ist. Er tut dies im Bewusstsein all der Wohltaten, die der HERR ihm geschenkt hat. Auch wir werden den Wunsch haben, dem Herrn zu dienen, wenn wir uns bewusst sind, wie viele Wohltaten wir von Ihm durch sein Werk am Kreuz erhalten haben.
In seiner großen Dankbarkeit für das, was der HERR für ihn getan hat, erwähnt er auch die Rolle, die seine Mutter bei seiner Erziehung gespielt hat (vgl. Ps 86,16). Dass der Psalmist sie „deine Dienerin“ nennt, bedeutet, dass sie eine gottesfürchtige Frau war, die Gott gedient hat. Sie wird ihn in den Dingen Gottes unterrichtet haben (vgl. 2Tim 1,5).
Wenn wir etwas für den Herrn tun dürfen, ist es gut, sich daran zu erinnern, wem wir für unsere geistliche Erziehung viel zu verdanken haben. Das können unsere Eltern sein, es können aber auch reife Gläubige sein, die uns bei unserem geistlichen Wachstum geholfen haben (vgl. 1Thes 2,7.11). Es hindert uns daran, uns mit unseren Eigenschaften und Aktivitäten zu brüsten. Der HERR hat alles vorbereitet, um uns zu seinen Dienern zu machen und das Werk zu tun, das Er für uns vorgesehen hat (Eph 2,10).
Diese Freiheit, Ihm zu dienen, ist sein Werk. Er hat die Fesseln gelöst, mit denen der Psalmist gefangen gehalten wurde. Der Psalmist erlebte seine Befreiung als eine Befreiung aus dem Gefängnis. So waren auch wir in den Fesseln der Sünde gefangen. Der Herr Jesus hat uns von diesen Fesseln befreit (Röm 6,17) und nun können wir für Ihn leben und Ihm in unserem Leben dienen.
Die Verse 17 und 18 sind, abgesehen von der einleitenden Formulierung, ähnlich wie die Verse 13 und 14. In Vers 17 geht es um das Opfer des Lobes, in Vers 18 um das Gelübdeopfer. Die Befreiung aus dem Gefängnis, das Lösen der Fesseln, ist Anlass, Gott „ein Dankopfer“ darzubringen (Vers 17). Ein Dankopfer wird dargebracht, wenn man ein Gelübde abgelegt hat (3Mo 7,16). Andere dürfen von einem solchen Opfer essen. Es ist ein Mahlopfer. Dies wird im nächsten Vers deutlich.
In seiner Gefangenschaft hat der Psalmist Gelübde abgelegt (Vers 18; vgl. Ps 56,12.13; Jona 2,10). Diese will er nun erfüllen. Seine Gelübde hat er persönlich vor Gott abgelegt. Er will sie öffentlich erfüllen, „in der Gegenwart seines ganzen Volkes“. Das ganze Volk Gottes soll von seiner Befreiung erfahren, damit es an seiner Freude über alle Wohltaten Gottes teilhaben kann (vgl. Ps 107,8-22).
Er sagt dies hier zum zweiten Mal (Verse 14.18). Das betont es und unterstreicht seine Wichtigkeit. Dabei macht er zum zweiten Mal deutlich, dass er dies nur an dem Ort tun kann, den der HERR erwählt hat, um seinen Namen dahin zu setzen, dass Er dort wohne (5Mo 12,5-14), nämlich im Tempel, dem Haus Gottes in Jerusalem, wo der HERR jetzt selbst wohnt.
Der Ort, an dem der Lobpreis stattfindet und das Mahl abgehalten wird, ist „in den Vorhöfen des Hauses des Herrn“ (Vers 19). Es ist ein Festmahl in der Gegenwart des HERRN. Er ist der Gastgeber, es geht um Ihn. Er hat alles zum Besseren gewendet, und Er ist jedes Dankes würdig.
Dann richtet der Psalmist das Wort spontan an Jerusalem, wo das Haus des HERRN steht, und sagt: „In deiner Mitte, Jerusalem.“ Das Herz des gottesfürchtigen Juden ist eng mit der Stadt Jerusalem verbunden, der Stadt des großen Königs, in der Gott wohnt. Er kann sich keine größere Freude vorstellen als inmitten dieser Stadt zu sein, denn dort kann er die Gemeinschaft mit Gott auf die innigste Weise erfahren. Deshalb endet er mit einem weiteren „Halleluja“, „Lobt den Herrn“.
In Psalm 115, dem ersten Hallel-Psalm nach dem Passahmahl, wird die Allmacht des HERRN gepriesen. In Psalm 116 wird der HERR für seine Gnade gepriesen (Vers 5), für seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.