Behandelter Abschnitt Hiob 19,7-12
Verse 7–12 | Von Gott verstoßen und verlassen
7 Siehe, ich schreie über Gewalttat und werde nicht erhört; ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht. 8 Er hat meinen Weg verzäunt, dass ich nicht hinüber kann, und auf meine Pfade legte er Finsternis. 9 Meine Ehre hat er mir ausgezogen und die Krone meines Hauptes weggenommen. 10 Er hat mich ringsum niedergerissen, so dass ich vergehe, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. 11 Und seinen Zorn ließ er gegen mich entbrennen und achtete mich seinen Feinden gleich. 12 Miteinander kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg gegen mich und lagerten sich rings um mein Zelt.
Hiob schreit, dass in seinem Fall dem Recht Gewalt angetan wird (Vers 7). Er sagt, dass es Gott ist, der das tut. Dennoch wendet sich Hiob an Gott und bittet um Hilfe. Sein Hilferuf findet jedoch kein Gehör bei Ihm. Er bekommt sein Recht nicht. Es gibt niemanden, der sich für ihn einsetzt, niemanden, der sagt, dass das Leid, das er erfährt, ungerecht ist und von ihm genommen werden sollte.
Ab Vers 8 beschuldigt er Gott direkt, ihm das Leben unmöglich zu machen. Sein Lebensweg ist von Gott versperrt und daher unpassierbar (Vers 8). Und die Wege, die er gegangen ist, hat Gott in Dunkelheit gehüllt, sodass er jede Orientierung verloren hat. Er kann in keine Richtung gehen. Wir würden sagen: Er sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Nirgends ist ein Ausweg zu entdecken.
Hiob beschuldigt Gott, ihn seiner Ehre beraubt und ihm die Krone vom Haupt genommen zu haben (Vers 9). Von dem Ansehen, das er einst hatte, und dem Reichtum, den er als Krone besaß und der ihm Würde verlieh, ist nichts mehr übrig (Spr 14,24). Sein guter Name und sein Ruf sind dahin.
Hiob beschreibt den Ruin seines Lebens in Bildern. Wie ein Gebäude wird er von Gott niedergerissen, sodass nichts als eine Ruine übrig bleibt (Vers 10). Er ist ruiniert, weil Gott ihn von allen Seiten zerstört hat: materiell, in seiner Familie, in seiner Gesundheit, in seinen sozialen Kontakten und in seinen Freundschaftsbeziehungen. Er vergleicht sich auch mit einem Baum, der von einem Orkan ausgerissen wurde. Infolgedessen ist er nun ohne Hoffnung auf Leben.
Er sieht sich selbst als Zielscheibe des Zorns Gottes, der in seiner ganzen Wucht auf ihn losgelassen wurde (Vers 11). Das gibt ihm das Gefühl, dass Gott ihn behandelt, als wäre er sein Feind. Er sehnt sich nach Gott, doch Gott bringt all dieses Elend über ihn. Er versteht diese „Kriegssituation“ nicht, warum Gott sich so gegen ihn stellt. Dazu hat er Gott doch gewiss keinen Anlass gegeben?
Hiob sieht die Katastrophen, die über ihn gekommen sind, als „seine (Gottes) Scharen“ (Vers 12). Es ist, als ob Gott diese Katastrophen wie eine Armee auf ihn losstürmen ließe. Diese Armeen haben sich ihren Weg zu ihm gebahnt, was bedeutet, dass sie sich durch nichts haben aufhalten lassen. Sie taten alles, um Hiobs Zelt, seine Wohnung, zu erreichen, um sie belagern zu können. Es ist, als ob sein kleines, mickriges Zelt eine mächtige, feindliche Festung mit dicken Mauern wäre. Was macht Gott nur? Für Hiob ist es keine Frage, dass Gott dies getan hat. Seine quälende Frage ist und bleibt, warum Gott dies getan hat.
Tatsächlich ist Hiobs Argumentation genau die gleiche wie die seiner Freunde. Er glaubt auch, dass Gott Katastrophen über einen Menschen bringt, wenn er sündigt. Die Freunde schließen aus dem Unglück, das ihm widerfahren ist, dass er gesündigt haben muss. Hiob weiß, dass dies nicht der Fall ist. Das bringt ihn in großen Konflikt mit seinem Denken über Gott. Er weiß, dass er nichts getan hat, was dieses Leiden rechtfertigen würde, und doch straft Gott ihn. Das Problem liegt nicht bei ihm, also … muss Gott sich irren.
Gott erträgt Hiobs′ Anschuldigungen, bis seine Zeit gekommen ist, ihn in seine heilige Gegenwart zu bringen. Jeder, der maßloses Leid erfährt, fragt sich vielleicht eine Zeit lang, warum Gott dies zulässt. Solange wir nicht selbst ein solches Leiden erlebt haben, tun wir gut daran, unser Urteil über Hiobs Anschuldigungen zurückzustellen, bis wir Gott sprechen gehört haben.
Was wir wissen dürfen, ist, dass Gott uns nicht als seine Feinde betrachtet, wenn Leid in unser Leben tritt. Wir können Gottes Weg mit uns nicht immer verstehen, aber wir dürfen wissen, dass für diejenigen, „die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken“ (Röm 8,28). Wenn Er uns züchtigt, beweist Er außerdem seine Liebe zu uns und beweist, dass Er uns als seine Söhne ansieht (Heb 12,6). Von Feindseligkeit uns gegenüber kann keine Rede sein.