Behandelter Abschnitt Hiob 11,15-20
Verse 15–20 | Der friedliche Ausgang
15 ja, dann wirst du dein Angesicht erheben ohne Makel und wirst unerschütterlich sein und dich nicht fürchten. 16 Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst dich an sie erinnern wie an vorübergeflossene Wasser; 17 und heller als der Mittag wird dein Leben erstehen; mag es finster sein – wie der Morgen wird es werden. 18 Und du wirst Vertrauen fassen, weil es Hoffnung gibt; und du wirst Umschau halten, in Sicherheit dich niederlegen. 19 Und du wirst dich lagern, und niemand wird dich aufschrecken; und viele werden deine Gunst suchen. 20 Aber die Augen der Gottlosen werden verschmachten; und [jede] Zuflucht ist ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist das Aushauchen der Seele.
In diesem Abschnitt zeigt Zophar Hiob auf, was er alles bekommen wird, wenn er auf ihn hört. Nach seinen vorangegangenen ungerechtfertigten, harten Anschuldigungen ist das Bild der Glückseligkeit, das er zeichnet, völlig fehl am Platze. Was er hier sagt, klingt wie das Singen von fröhlichen Liedern für ein betrübtes Herz. Auf diese Weise vergrößert er Hiobs Schmerz (Spr 25,20).
Wenn Hiob auf Zophar hört, wird er sein Gesicht erheben und Gott ins Angesicht schauen, und das Elend wird von ihm weichen (Vers 15). Schließlich beklagte sich Hiob zuerst darüber, dass er sein Haupt nicht erheben kann, solange Gott ihn niederdrückt (Hiob 10,15.16). Dann wird er fest wie ein Haus stehen und braucht Gott nicht mehr zu fürchten. Er wird alle seine Sorgen vergessen und auch nicht mehr an sie denken (Vers 16). In einer schönen Bildsprache vergleicht Zophar dies mit „vorübergeflossene Wasser“. So wie Wasser, das vorbeigeflossen ist, nie wieder zurückfließt, so werden auch die Prüfungen in Hiobs Leben nie wiederkehren.
Hiobs Leben wird in einem Licht stehen, das heller ist als die Mittagssonne, wie es für die Gerechten gilt (Vers 17; Spr 4,18). Alles wird strahlend herrlich sein. Von der Finsternis, in der er sich jetzt befindet, wird nichts mehr zu sehen sein. Alle Finsternis ist verschwunden. Es ist die Umkehrung der letzten Worte Hiobs im vorigen Kapitel, wo er sagt, dass das Licht wie die Finsternis ist (Hiob 10,22). Hier ist die Dunkelheit wie das Licht des Morgens (Jes 58,10; Sach 14,7), des neuen Tages, der in Hiobs Leben anbrechen wird.
Anstelle von Angst vor Katastrophen wird er Glauben oder Vertrauen in Gott haben (Vers 18). Seine Zuversicht gründet sich auf die feste Hoffnung, dass Gott in seiner Güte garantiert, dass sein Wohlstand von Dauer sein wird. Davon wird er sich auch überzeugen können, wenn er auf die Suche geht. Das bedeutet, dass er am Abend alles um und im Haus inspiziert. Er wird nichts Beunruhigendes finden und friedlich schlafen können.
Er wird sich in vollkommenem Frieden niederlegen können (Vers 19). Er braucht keine Angst zu haben, dass ihn jemand erschrecken könnte, jetzt, wo er so unter dem Segen Gottes steht. Statt Drohungen zu erwarten, kann er damit rechnen, dass viele zu ihm kommen werden, um seine Gunst zu erlangen (vgl. Sach 8,23). Zophar ahnt nicht, dass er selbst zu denen gehört, die um Hiobs Gunst ringen werden (Hiob 42,9).
Zophar schließt seine Antwort an Hiob mit einer versteckten Warnung an seine Adresse ab (Vers 20). Wiederum klingt die Unterstellung durch, dass Hiob ein Gottloser ist. Die Augen eines gottlosen Menschen werden nicht sehen, dass das Gute kommen wird, weil es nie kommen wird. Auch wird er niemals die Möglichkeit haben, seinem Elend zu entkommen. Jede Hoffnung darauf ist verloren. Die einzige Hoffnung, die ihm bleibt, ist das Ausblasen seiner Seele. Dann wird er von allem Elend befreit sein, was seine irdischen Verhältnisse betrifft.
Aber Hiob ist kein gottloser Mensch, der dem Ende seines Lebens als einziger Hoffnung entgegensieht. Im Gegenteil, er klammert sich mehr und mehr an Gott. Trotz all seiner Zweifel und Verzweiflung über Gottes Umgang mit ihm kann er nicht auf Gott verzichten. Er schaut weiterhin auf Gott, und deshalb werden ihn seine Augen nicht täuschen, sondern er wird Gott sehen (Hiob 42,5). Dies wird anders geschehen, als er es sich vorstellt, und auch ganz anders, als es seine Freunde sich vorstellen.
So endet die Argumentation von Zophar, die so klar wie Glas und gleichzeitig so kalt wie Eis ist. Es ist klar: Der Sünder und der Gottlose werden zugrunde gehen; jeder kriegt, was er verdient. Es ist auch bitterkalt: Es fehlt völlig an Takt und Mitgefühl. Die anderen Freunde haben noch etwas Mitgefühl gezeigt, aber Zophar ist knallhart. Er sagt zu Hiob: Hiob, du bist ein Gottloser, du verdienst es zu leiden, gib das zu und kehre um!