Verse 8 | Vorlesen und auslegen
Und sie lasen in dem Buch, in dem Gesetz Gottes, deutlich und gaben den Sinn an, so dass man das Gelesene verstand.
Wenn vorgelesen wird, muss das deutlich geschehen. Das ist für die Zeit Esras umso nötiger, da niemand eine Kopie von dem hat, was gelesen wird, und daher nicht mitgelesen werden kann. Vorlesen ist immer wichtig gewesen (1Tim 4,13a). Damit beginnt es. Wenn aus Gottes Wort vorgelesen wird, wird der Zuhörer in die direkte Gegenwart Gottes gestellt.
Dann muss das, was vorgelesen wird, ausgelegt werden und auf Herz und Gewissen angewendet werden (1Tim 4,13; Lk 4,16-21; Apg 13,14-16). Die Leviten sorgen dafür, dass alle verstehen, was vorgelesen wurde (vgl. 1Kor 14,9-20). Es ist die Aufgabe des Lehrers, als Gabe des Herrn Jesus an seine Gemeinde (Eph 4,11), das Wort Gottes auszulegen. Er wird das auf eine Weise tun, dass die Zuhörer es verstehen. Zugleich wird er den Wunsch haben, dass das Wort an den Herzen und Gewissen der Hörer arbeitet. Das gesprochene und erklärte Wort ist eine aktive Kraft, es ist dynamisch und wirkt in denen, die es im Glauben annehmen (1Thes 2,13).
Das Auslegen kann nicht durch jemanden geschehen, der gerade erst zum Glauben gekommen ist. Er muss selbst erst unterwiesen werden. Sonst würde ein Blinder einen Blinden leiten, mit der Folge, dass beide verunglücken (Mt 15,14).
Neh 8,9 | Die Wirkung des Wortes
Und Nehemia, das ist der Tirsatha, und Esra, der Priester, der Schriftgelehrte, und die Leviten, die das Volk belehrten, sprachen zum ganzen Volk: Dieser Tag ist dem HERRN, eurem Gott, heilig; seid nicht traurig und weint nicht! (Denn das ganze Volk weinte, als es die Worte des Gesetzes hörte.)
Das Ergebnis des Lesens und Auslegens der Schrift ist, dass sich das Volk seines Versagens und seiner Sünde bewusst wird. Sie sind nicht nur Hörer, sondern auch Täter. Sie haben sich selbst im Spiegel des Wortes gesehen und haben nach dem Vorlesen nicht vergessen, wie sie aussehen (Jak 1,23-25). Das Wort wirkt in ihren Gewissen und sie weinen. Der Tag des großen Triumphes wird zugleich ein Tag von tiefer Sündenerkenntnis. Im Licht des Wortes Gottes entdecken sie, wie ernst ihr Versagen ist.
Während des Vorlesens und Auslegens von Gottes Wort steht Nehemia im Hintergrund. Er erkennt den Platz, der Esra hierbei zukommt, als von Gott gegeben an. Das ist ein Musterbeispiel von guter Zusammenarbeit und Wertschätzung der Gabe, die der HERR einem anderen Mitglied seines Volkes gegeben hat. Wenn das Wort seine Wirkung entfaltet, kommt Nehemia wieder nach vorne. Es muss wieder geleitet werden, es muss angegeben werden, was das Volk tun soll. Nehemia ergreift die Initiative – so scheint es zumindest, da er als Erster genannt wird – und Esra und die Leviten schließen sich ihm an.
Diese Männer erklären, dass die Tränen getrocknet werden können. Trauer und Weinen ist gut, aber nicht an diesem Tag. An diesem Tag steht nämlich nicht das Volk im Mittelpunkt, sondern der HERR, ihr Gott. Es ist ein Tag, der besonders Ihm geweiht ist. Durch das Lesen von seinem Wort hat Er diesen Tag in Anspruch genommen. Wenn das Wort gelesen wird und seine Wirkung entfaltet, gilt alle Ehre Ihm. In diesem Fall verschiebt die Beschäftigung mit dem eigenen Versagen die Aufmerksamkeit zu sehr von der Größe und Güte des HERRN auf das Elend des Menschen.