Wie wir bereits gesehen haben, nimmt Boas Ruth in Gegenwart des Verwandten und der Zeugen zur Frau. Nichts wird im Verborgenen getan, keine gerechte Forderung wird übergangen, kein notwendiger Anspruch beiseite geschoben. Das gleiche Gesetz, das gegen das abgefallene Volk zeugte, wird auch die Gerechtigkeit dessen bezeugen, der den reuigen und gläubigen Überrest auf der Grundlage der Gnade wieder zu sich bringt.
Die Propheten legen davon reichlich Zeugnis ab, indem sie die vergangene Untreue des Volkes als Verlobte des Herrn und die zukünftige Gnade, die es wiederherstellen wird, miteinander verbinden. „Denn von alters her hast du dein Joch zerbrochen, deine Fesseln zerrissen, und du hast gesagt: ‚Ich will nicht dienen!‘ Sondern auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum gabst du dich preis als Hure“ (Jer 2,20).
Gott hatte sie aus Ägypten gerettet, und sie hatten am Sinai versprochen, das Gesetz nicht zu übertreten. Leider wurde das goldene Kalb aufgerichtet, bevor das Gesetz ins Lager gebracht wurde, und die lange Liste der nachfolgenden Götzendienste erzählt, wie sie den Bund gebrochen hatten. „Die Höhen Stätten“ für die Götzenanbetung waren über das ganze Land verstreut, während im Schatten jedes grünen Baumes die Abscheulichkeiten des Heidentums praktiziert wurden. Sowohl in geistlicher Hinsicht als auch im wörtlichen Sinn verdienten diese unheiligen und unreinen Riten den Namen der Hurerei, den die Propheten ihnen so oft gaben. Was konnte Gott mit einer solchen Nation tun, außer sie zu vertreiben? (Jer 3,1.20.22)
Dieser ganze Teil von Jeremia ist außerordentlich schön und rührend. Die zärtlichen Bitten der göttlichen Liebe an ein kühnes, ungläubiges und eigenwilliges Volk, die Zusicherungen der Vergebung und der ewigen Barmherzigkeit sind im höchsten Maße rührend. „Doch will ich meines Bundes mit dir in den Tagen deiner Jugend gedenken und will dir einen ewigen Bund errichten. Und du wirst dich an deine Wege erinnern und dich schämen, wenn du deine Schwestern empfangen wirst, die größer sind als du, samt denen, die kleiner sind als du, und ich sie dir zu Töchtern geben werde, aber nicht infolge deines Bundes. Und ich werde meinen Bund mit dir errichten, und du wirst wissen, dass ich der Herr bin“ ( Hes 16,60-62).
Auch hier sehen wir, nachdem uns Seine größte Treue gegenüber dem ursprünglich hilflosen Zustand des Volkes, seine Zeit der Liebe und die Schönheit, mit der Er es geschmückt hat geschildert wird, die ganze Schamlosigkeit, Treulosigkeit und hoffnungslose Erniedrigung des Volkes. Gott sichert ihnen eine Wiederherstellung und eine Wiedervereinigung in einem Ehebund zu, „der niemals gebrochen oder vergessen werden soll.“ „Und ich werde ihren Weinstock und ihren Feigenbaum verwüsten, von denen sie sprach: Diese sind mein Lohn, den mir meine Liebhaber gegeben haben. Und ich werde sie zu einem Wald machen, und die Tiere des Feldes werden sie abfressen. Und ich werde an ihr die Tage der Baalim heimsuchen, an denen sie ihnen räucherte und sich mit ihren Ohrringen und ihrem Halsgeschmeide schmückte und ihren Liebhabern nachging; mich aber hat sie vergessen, spricht der Herr.
Darum siehe, ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen reden; und ich werde ihr von dort aus ihre Weinberge geben und das Tal Achor zu einer Tür der Hoffnung. Und sie wird dort singen wie in den Tagen ihrer Jugend und wie an dem Tag, als sie aus dem Land Ägypten heraufzog. Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der Herr, da wirst du mich nennen: Mein Mann; und du wirst mich nicht mehr nennen: Mein Baal. Und ich werde die Namen der Baalim aus ihrem Mund wegtun, und sie werden nicht mehr mit ihrem Namen erwähnt werden.
Und ich werde an jenem Tag einen Bund für sie schließen mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit den kriechenden Tieren der Erde; und ich werde Bogen und Schwert und den Krieg aus dem Land zerbrechen und werde sie in Sicherheit wohnen lassen. Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den Herrn erkennen. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der Herr: Ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören“ (Hos 2,14-23).
In ähnlicher Weise wird in der bekannten Passage in Hosea die vergangene Untreue des Volkes, ihre gegenwärtige Verwerfung als Lo-Ammi und ihre zukünftige Wiederherstellung dargestellt.
Diese rührenden und schönen Passagen können gut als Bindeglied zwischen Noomi und Ruth dienen. Das Volk, das wie Noomi abgewichen ist, wird wiederhergestellt – der Überrest von ihnen – wie Ruth, in tiefer und wahrer Reue und einem Glauben, der auf alle Ansprüche an sich selbst verzichtet, sich aber deshalb umso mehr an den Herrn und Seine Gnade klammert.
So wie Boas die Ältesten und das ganze Volk aufruft, um zu bezeugen, dass er das ganze verwirkte Erbe und die heidnische Witwe Ruth gekauft hat, so wird unser Herr alle aufrufen, um Seine Erlösung Seines abgeirrten Volkes zu bezeugen: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems, und ruft ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des Herrn Zweifaches empfangen hat für alle ihre Sünden“ (Jes 40,1-2). „Zieht aus Babel, flieht aus Chaldäa mit Jubelschall; verkündigt, lasst dies hören, bringt es aus bis an das Ende der Erde! Sprecht: Der Herr hat seinen Knecht Jakob erlöst“ ( Jes 48,20).
Die Gnade, die das Volk erlösen wird, wird ihnen auch das Land zu ihrem Genuss zurückgeben. In der Tat hat das Land während der ganzen Zeit ihrer Gefangenschaft und Entfremdung von Gott seine Sabbate genossen – Zeichen des Bundes zwischen Gott und dem Volk. In gewissem Sinne sind also gerade die Verwüstungen des Landes eine Erinnerung an die unfehlbare Verheißung Gottes, der das, was den Seinen vorbehalten war, nicht anderen geben würde.
„Denn so spricht der Herr: Wie ich über dieses Volk all dieses große Unglück gebracht habe, so will ich über sie all das Gute bringen, das ich über sie rede. Und es sollen Felder gekauft werden in diesem Land, von dem ihr sagt: ‚Es ist öde, ohne Menschen und ohne Vieh, es ist in die Hand der Chaldäer gegeben.‘ Man wird Felder für Geld kaufen und Kaufbriefe schreiben und sie versiegeln und Zeugen nehmen im Land Benjamin und in der Umgebung von Jerusalem und in den Städten Judas, sowohl in den Städten des Gebirges als auch in den Städten der Niederung und in den Städten des Südens. Denn ich werde ihre Gefangenschaft wenden, spricht der Herr“ (Jer 32,42-44).
(Jer 33,7.10.11) Die Barmherzigkeit gegenüber dem Volk muss notwendigerweise von der Barmherzigkeit gegenüber dem Land begleitet sein. Das eine wird nicht ohne das andere sein. „Jubelt, ihr Nationen, mit seinem Volk! Denn er wird das Blut seiner Knechte rächen und Rache erstatten seinen Feinden, und seinem Land, seinem Volk, vergeben. –“ (5Mo 32,43). „Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den Herrn erkennen“ (Hos 2,21-22).
Darauf wird in Psalm 65 ausführlich eingegangen. Der Lobpreis wartet still auf Gott in Zion bis zu der Stunde, die für den Sturz der Feinde und die endgültige Errichtung des Friedens im Land bestimmt ist. Dann wird die Barmherzigkeit Gottes an seinem Land gefeiert: „Und die Bewohner der Enden der Erde fürchten sich vor deinen Zeichen; du bewirkst, dass die Ausgänge des Morgens und des Abends jauchzen.
Du hast dich der Erde angenommen und ihr Überfluss gewährt, du bereicherst sie sehr: Gottes Bach ist voll Wasser. Du bereitest ihr Getreide, wenn du sie so bereitest.
Du tränkst ihre Furchen, ebnest ihre Schollen, du erweichst sie mit Regengüssen, segnest ihr Gewächs.
Du hast das Jahr deiner Güte gekrönt, und deine Spuren triefen von Fett.
Es triefen die Weideplätze der Steppe, und mit Jubel umgürten sich die Hügel“ (Ps 65,9-13).
So schließt der Kauf all dessen, was Elimelech und seinen beiden Söhnen gehörte, das Land und das Erbe, auch Ruth, die Witwe, ein. Und die Erlösung seines Volkes durch Christus schließt auch das Land ein. Wie bemerkenswert ist es, dass wir in unserer Zeit nicht nur ein Volk ohne Land haben, die Juden, sondern auch ein Land ohne ein definitiv sesshaftes Volk. Das eine wartet auf das andere, und beide, ja alle Dinge, warten auf Seine Zeit, die gewiss alle Seine Worte erfüllen wird. „So spricht der Herr: Wenn nicht mein Bund bezüglich des Tages und der Nacht besteht, wenn ich nicht die Ordnungen des Himmels und der Erde festgesetzt habe, so werde ich auch die Nachkommen Jakobs und Davids, meines Knechtes, verwerfen, dass ich nicht mehr von seinen Nachkommen Herrscher nehme über die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs. Denn ich werde ihre Gefangenschaft wenden und mich ihrer erbarmen“ (Jer 33,25.26).