Behandelter Abschnitt Off 2,20
„Aber ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen“ (2,20).
Wir wissen aus der Geschichte Israels und Elias, welche schreckliche Frau Jesabel war, eine verschlagene Verführerin und Mörderin der Knechte des Herrn. Mit dem Namen dieser Königin wird nun das herrschende römische Religionssystem bezeichnet, das deutlich von den gläubigen Katholiken unterschieden wird. Dieses System, dessen Träger die päpstliche Hierarchie nebst dem Heer fanatischer Priester und Ordensleute sind, hat in der Tat vielfach den teuflischen Charakter der Jesabel bewiesen, indem es ebenso wie jene zu Gunsten ihres abgöttischen Kultussystems die wahren Gläubigen, die am unverfälschten Gotteswort festhielten, verfolgte und tötete. Hier auf Einzelheiten einzugehen, erübrigt sich, da die Geschichte dieser „Kirche“ ja zur Genüge bekannt ist. In unserem Sendschreiben werden diesem System vier höchst ernste Dinge zur Last gelegt.
1. „Die sich eine Prophetin nennt.“ Dieses System beansprucht, die allein selig machende Kirche zu sein, die allein richtige und maßgebende Schriftauslegung zu haben und die allein richtige kirchliche Norm zu besitzen, die am Tridentinischen Konzil (1545–1563) ein für allemal unabänderlich festgelegt wurde und ein Lehrsystem hervorgebracht hat, das den Herrn Jesus praktisch beiseitesetzt. An seiner Stelle wird für alle Bedürfnisse und Herzensnöte auf die „Himmelskönigin“ Maria verwiesen, was an vielen Kirchen und Kapellen in katholischen Ländern, in denen zahlreiche Inschriften zu Maria weisen, aber selten eine zum Herrn Jesus, leicht festzustellen ist. Logischerweise müssen gerade die Treuen, die an Gottes Wort und am Herrn Jesus festhalten, unfehlbar in Widerspruch zu dieser Kirche geraten. Seit 1870 beansprucht der Papst dazu noch die dogmatische Unfehlbarkeit, etwas, was doch keinem Menschen möglich ist wegen seiner Beschränktheit.
2. „Sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben.“ Das, was in Pergamus Fuß gefasst hat – der Herr nennt es symbolisch „Hurerei“ – das Buhlen mit der Welt, dem Herrschaftsbereich Satans, ist hier in seiner Furchtbarkeit geschildert. Es ist gekennzeichnet durch ein systematisches politisches Streben nach der Weltmacht, sogar über Könige und Kaiser und zugleich nach irdischem Glanz und Reichtum, nach irdischen Vorteilen und Gütern. Hier sind religiöse und politische Ziele völlig vermischt, denn diese Kirche will sowohl geistliche als auch politische Herrschaft. Im Mittelalter, der ausgeprägtesten Thyatira-Periode, verschaffte sie sich diese durch offene Gewalt – man denke nur an die Namen von Gregor VII., Innozenz II usw. –, seit der Reformation allerdings mehr auf geheimen, aber nicht weniger verhängnisvollen Wegen.
3. „Sie lehrt, Götzenopfer zu essen.“ Hier in Thyatira ist aus dem einfachen Zusammenkommen um das herrliche Haupt, Christus, ein glänzender, formenreicher Kult geworden, und aus der Kirche ist durch zahlreiche Zusätze zur Lehre und vielerlei fremde Gebräuche ein ganz anderes, fremdes Gebilde entstanden, das mit dem, was der Herr einst gegründet hat, keine Ähnlichkeit mehr hat. Drei Züge sind es hauptsächlich, die diesen „Gottesdienst“ zu einem Götzendienst stempeln.
Als Erstes hält man Maria, wie schon angedeutet, anstelle des Herrn, als Allhelferin in höchsten Ehren und betet zu ihr, wie auch zu vielen Heiligen. Dann sind der bekannte Ablass und der Bilder- und Reliquiendienst, den wir schon in Pergamus gefunden haben, zu einem fest ausgebauten Dogma geworden. Bezeichnenderweise sind es vor allem zwei Frauen, die griechischen Kaiserinnen Irene und Theodora, die diesem Dienst Recht und Platz im christlichen Kult erzwungen haben, allerdings mit lebhafter Unterstützung seitens der römischen Päpste. Als Drittes hat auch die bei der römischen Kirche übliche Form des Abendmahls, die sogenannte Eucharistie, das ständig wiederholte Messopfer, abgöttischen Charakter.
4. Sie hat solche in ihrer Mitte, die „Jesabels Kinder“ sind. Der Herr unterscheidet deutlich zwischen den gläubigen, wahrhaft frommen Katholiken, die Er als „seine Knechte“ anerkennt, und den anderen, die „Jesabels Kinder“ genannt werden. Zu allen Zeiten, selbst im dunklen Mittelalter, hat es ernste Katholiken gegeben, und es gibt auch heute noch viele solcher, die durch falsche Belehrung irregeführt, an der römischen Kirche hängen, aber dennoch im vollbrachten Werk am Kreuz ruhen und ein gottseliges Leben führen, solche, „die die Tiefen Satans nicht erkannt haben“. Bernhard von Clairvaux, Erzbischof Fénélon, in neuerer Zeit Martin Boos und viele andere anerkennt der Herr, trotz allem Irrtum, als die Seinen, weil Er nach der Einstellung des Herzens urteilt.
Ganz anders aber beurteilt Er jene Katholiken, die Er „Kinder Jesabels“ nennen muss, die Sprösslinge ihrer schrecklichen Gesinnung, denen es vor allem darum geht, als Kirche Geltung in dieser Welt zu haben. Sie sind die Werkzeuge der Wut Jesabels gegen die wahren Zeugen von Jesus Christus. Vor allem waren es die Dominikaner, die Träger der schrecklichen Inquisition, und die Jesuiten, nach deren Lehre der Zweck die Mittel heiligte, und alle diejenigen, die einstimmten in deren Tun und damit ebenfalls ihrer Ungerechtigkeit und Blutschuld teilhaftig wurden.