Behandelter Abschnitt 4. Mose 27,12-17
Mose kurz vor seinem Tod
Der letzte Abschnitt unseres Kapitels ist ernst. Die Wege der Regierung Gottes werden in einer Weise gezeigt, die uns tief beeindruckt. „Und der Herr sprach zu Mose: Steige auf dieses Gebirge Abarim und sieh das Land, das ich den Kindern Israel gegeben habe. Und hast du es gesehen, so wirst auch du zu deinen Völkern versammelt werden, so wie dein Bruder Aaron versammelt worden ist; weil ihr in der Wüste Zin, beim Hadern der Gemeinde, widerspenstig gewesen seid gegen meinen Befehl, mich durch das Wasser vor ihren Augen zu heiligen“ (V. 12–14).
Mose darf nicht über den Jordan gehen. Es ist nicht nur so, dass nicht er das Volk offiziell hinüberführen kann, sondern auch er selbst darf nicht gehen. Das war der Regierungsbeschluss Gottes. Aber andererseits sehen wir die Gnade in ungewöhnlichem Glanz strahlen in der Tatsache, dass Mose von Gottes eigener Hand auf den Gipfel des Pisga geführt wird. Von dort aus sieht er das Land der Verheißung in seiner ganzen Pracht, nicht nur so, wie Israel es nachher besaß, sondern so, wie Gott es ursprünglich gegeben hatte.
Das war die Frucht der Gnade, die sich noch deutlicher am Schluss des fünften Buches Mose zeigt. Dort wird uns zugleich erzählt, dass Gott seinen Knecht begrub. Ist das nicht wunderbar? Es gibt wirklich nichts Vergleichbares in der Geschichte der Heiligen Gottes. Mose hatte mit seinen Lippen unbedacht geredet, und deshalb durfte er nicht den Jordan überschreiten. Das war Gott in seiner Regierung. Aber dann wurde er auf den Pisga hinaufgeführt, um dort in Gemeinschaft mit dem Herrn das ganze Erbteil zu sehen. Und schließlich machte der Herr ein Grab für seinen Knecht und begrub ihn darin. Das war Gott in Gnade, in dieser wunderbaren, unvergleichlichen Gnade, die immer „aus dem Fresser Fraß und aus dem Starken Süßigkeit“ (Ri 14,14) kommen lässt. Wie herrlich ist es, Gegenstand einer solchen Gnade zu sein!
Wir schließen diesen Abschnitt mit einem kurzen Hinweis auf die schöne Uneigennützigkeit Moses bei der Bestimmung seines Nachfolgers. Dieser gesegnete Mann Gottes zeichnete sich immer aus durch einen Geist der Uneigennützigkeit, diese seltene und bewundernswerte Gnade. Wir sehen ihn nie seine eigenen Interessen suchen; im Gegenteil, wenn sich ihm eine Gelegenheit bot, seinen eigenen Ruf und sein Glück zu suchen, zeigte er wieder und wieder, dass die Ehre Gottes und das Wohl seines Volkes sein Herz so sehr ausfüllten, dass für persönliche Rücksichten kein Raum blieb.
So ist es auch in diesem Abschnitt unseres Kapitels. Als Mose hörte, dass er nicht über den Jordan gehen soll, bewegen ihn nicht Trauer und Schmerz, sondern er denkt einzig und allein an die Interessen der Gemeinde. „Und Mose redete zu dem Herrn und sprach: Der Herr, der Gott der Geister allen Fleisches, bestelle einen Mann über die Gemeinde, der vor ihnen her aus- und einzieht, und der sie aus- und einführt, damit die Gemeinde des Herrn nicht sei wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (V. 15–17).
Was für uneigennützige Worte sind das! Wie wertvoll müssen sie für das Herz Gottes gewesen sein, der sein Volk so sehr liebte und so unermüdlich umsorgte! Wenn nur dem entsprochen war, was Israel brauchte, war Mose zufrieden. Wenn nur das Werk ausgeführt wurde – ihm lag nichts daran, wer es tat. Im Blick auf seine Person, seine Interessen und seine Bestimmung konnte er ruhig alles der Hand Gottes überlassen. Er wusste, dass Gott für ihn sorgen würde; aber er ist wegen des geliebten Volkes Gottes bewegt. In demselben Augenblick, als er Josua als dessen Führer eingesetzt sieht, ist er bereit, Abschied zu nehmen und ewig auszuruhen. Gesegneter Knecht! Glücklicher Mann! Möchte es doch unter uns nur einige wenige geben, die sich in geringem Maß durch diesen vortrefflichen Geist der Selbstverleugnung und der eifersüchtigen Sorge für die Ehre Gottes und das Wohl seines Volkes auszeichnen! Aber müssen wir nicht mit immer stärkerem Nachdruck die Worte des Apostels wiederholen: „Alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21)? Möchten wir doch die Wahrheit lernen, nicht uns selbst, sondern dem zu leben, der für uns gestorben ist, der unserer Sünden wegen vom Himmel auf diese Erde gekommen und von der Erde in den Himmel zurückgegangen ist, wo Er sich mit unseren Schwachheiten beschäftigt, und der bald wiederkommen wird zu unserem ewigen Heil und zu unserer immerwährenden Herrlichkeit!