Behandelter Abschnitt 4. Mose 14,6-10
Josua und Kaleb, zwei treue Zeugen
„Und Josua, der Sohn Nuns, und Kaleb, der Sohn Jephunnes, von denen, die das Land ausgekundschaftet hatten, zerrissen ihre Kleider, und sie sprachen zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sagten: Das Land, das wir durchzogen haben, um es auszukundschaften, das Land ist sehr, sehr gut.
Wenn der Herr Gefallen an uns hat, so wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben, ein Land, das von Milch und Honig fließt. Nur empört euch nicht gegen den Herrn; und fürchtet ja nicht das Volk des Landes, denn unser Brot werden sie sein. Ihr Schirm ist von ihnen gewichen, und der Herr ist mit uns; fürchtet sie nicht! Und die ganze Gemeinde sagte, dass man sie steinigen solle“ (V. 6–10).
Und warum sollten sie gesteinigt werden? Weil sie Lügen geredet, weil sie gelästert oder Böses getan hatten? Nein, sondern wegen ihres mutigen und ernsten Zeugnisses, das sie für die Wahrheit ablegten. Sie waren in das Land gesandt worden, um es auszukundschaften und dann eingehend und wahrheitsgetreu über ihre Beobachtungen zu berichten. Das taten sie, und deshalb sagte die ganze Gemeinde, „dass man sie steinigen solle“. Das Volk liebte die Wahrheit damals nicht stärker, als der Mensch sie heute liebt. Die Wahrheit ist nie volkstümlich. Für sie gibt es weder in der Welt noch im Herzen des Menschen einen Platz. Lügen und Irrtümer in allen Formen werden angenommen, die Wahrheit aber niemals. Josua und Kaleb mussten zu ihrer Zeit erfahren, was die wahren Zeugen aller Zeiten erfahren haben und erwarten müssen, nämlich den Hass und den Widerstand ihrer Mitmenschen. Sechshunderttausend Stimmen erhoben sich gegen zwei Männer, die einfach die Wahrheit sagten und auf Gott vertrauten. So war es damals, so ist es heute, und so wird es sein bis zu jenem herrlichen Augenblick, da „die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Jes 11,9).
Wie wichtig ist es, wie Josua und Kaleb fähig zu sein, für die Wahrheit Gottes ein klares und unerschütterliches Zeugnis abzulegen! Wie wichtig ist es, die Wahrheit über das Teil und das Erbe der Heiligen aufrechtzuhalten! Immer ist das Bestreben vorhanden, die Wahrheit zu verderben, zu zerstückeln und aufzugeben und den göttlichen Maßstab zu verringern. Daher ist es so dringend nötig, dass wir die Wahrheit in der Kraft Gottes in unserer Seele haben, dass wir, wenn auch nur wenig, fähig sind zu sagen: „Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben“ (Joh 3,11). Kaleb und Josua waren nicht nur im Land gewesen, sondern sie hatten es auch von dem Standpunkt des Glaubens aus betrachtet. Sie wussten, dass das Land nach den Vorsätzen Gottes ihnen gehörte, dass es – als die Gabe Gottes – wert sei, es zu besitzen, und dass sie es durch die Macht Gottes gewiss einmal haben würden. Sie waren Männer voll Glauben, Mut und Kraft.
Glückliche Männer! Sie lebten im Licht der Gegenwart Gottes, während sich die ganze Gemeinde in dunklem Unglauben befand. So wird man immer solche finden, die zweifellos Kinder Gottes sind, die aber bezüglich ihrer Stellung und ihres Teils als Heilige Gottes sich niemals auf die Höhe der göttlichen Offenbarung zu erheben vermögen. Sie sind immer voll von Zweifeln und Befürchtungen. Sie sehen stets die finstere Seite der Dinge. Sie schauen auf sich selbst, auf ihre Umstände und auf ihre Schwierigkeiten. Sie sind nie glücklich und sind nie fähig, das freudige Vertrauen und den Mut zu offenbaren, die einem Christen ziemen und Gott verherrlichen.
Wie schade ist das! Der Christ sollte immer friedevoll und glücklich sein, immer Gott preisen können, was auch kommen möge. Seine Freuden haben ihren Ursprung weder in ihm selbst noch in dem Schauplatz, auf dem er lebt; sie haben ihre Quelle in dem lebendigen Gott und stehen deshalb über jedem irdischen Einfluss. Ein Christ kann sagen: „Mein Gott, die Quelle aller meiner Freuden.“ Das ist das große Vorrecht selbst des schwächsten Gotteskindes. Aber gerade hierin versagen wir so vielfach. Wir wenden unsere Augen von Gott ab und richten sie auf uns selbst, auf unsere Umstände, Kümmernisse und Schwierigkeiten, und dadurch kann nur Unzufriedenheit, Murren und Klagen entstehen. Aber das ist kein wahres Christentum. Es ist Unglaube, der Gott entehrt und uns selbst niederdrückt. „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2Tim 1,7). Das ist die Sprache eines wirklich geistlichen „Kaleb“; eine Sprache, die an einen Menschen gerichtet wurde, dessen Herz die Last der Schwierigkeiten und Gefahren um sich her sehr wohl fühlte. Der Geist Gottes erfüllt die Seele des wahren Gläubigen mit heiligem Mut. Er verleiht ihr Erhabenheit über die kalte und düstere Atmosphäre, die uns umgibt, und erhebt die Seele in den glänzenden Sonnenschein jener Region, wo Stürme und Fluten sich nie erheben.