Behandelter Abschnitt 1. Mose 15,12-17
Vorausblick auf die Geschichte Israels
Wir wollen jetzt noch einen Blick auf das bedeutungsvolle Gesicht Abrahams werfen, das uns in den Schlussversen unseres Kapitels mitgeteilt wird. „Und es geschah, als die Sonne untergehen wollte, da fiel ein tiefer Schlaf auf Abram; und siehe, Schrecken, dichte Finsternis überfiel ihn. Und Er sprach zu Abram: Du sollst sicher wissen, dass deine Nachkommen Fremde sein werden in einem Land, das nicht das ihre ist; und sie werden ihnen dienen, und sie werden sie bedrücken 400 Jahre. Aber ich werde die Nation auch richten, der sie dienen werden; und danach werden sie ausziehen mit großer Habe . . . Und es geschah, als die Sonne untergegangen und dichte Finsternis eingetreten war, siehe da, ein rauchender Ofen und eine Feuerflamme, die zwischen jenen Stücken hindurchfuhr“ (V. 12-17).
Man kann sagen, dass die ganze Geschichte Israels in diesen zwei Bildern des „rauchenden Ofens“ und der „Feuerflamme“ zusammengefasst ist. Der „rauchende Ofen“ zeigt uns die verschiedenen Zeitabschnitte, in denen die Israeliten in Leiden und Trübsale gebracht waren, wie z. B. in der langen Sklaverei in Ägypten, in der Zeit ihrer Unterwerfung unter die Könige Kanaans, in der babylonischen Gefangenschaft, und schließlich in ihrer seitherigen Zerstreuung und Erniedrigung. Während dieser Zeitabschnitte sehen wir Israel gleichsam durch den rauchenden Ofen gehen (siehe 5Mo 4,20; 1Kön 8,51; Jes 48,10).
Die Feuerflamme hingegen bildet jene Abschnitte in der ereignisvollen Geschichte Israels, in denen der Herr in Gnade erschien, um ihnen beizustehen, wie z. B. die Befreiung aus Ägypten durch die Hand Moses, die Befreiung von der Macht der Könige Kanaans durch den Dienst der verschiedenen Richter, die Rückkehr aus Babylon auf den Befehl des Cyrus, sowie am Ende die Befreiung des Volkes, wenn Christus in seiner Herrlichkeit erscheinen wird. Das Erbe muss durch den rauchenden Ofen hindurch erreicht werden, und je finsterer der Rauch des Ofens ist, desto glänzender und herrlicher wird die „Feuerflamme“ des Heils Gottes sein.
Dieser Grundsatz ist auch nicht nur auf das Volk Gottes insgesamt anwendbar, sondern ebenso gut auf Einzelne. Alle, die je eine hervorragende Stellung als Diener erlangt haben, sind durch den rauchenden Ofen gegangen, ehe sie sich der Feuerflamme erfreuen durften. „Schrecken und dichte Finsternis“ erfüllten den Geist Abrahams. Jakob musste zwanzig Jahre lang im Haus Labans mühsame Arbeiten verrichten. Joseph fand seinen rauchenden Ofen des Elends in den Kerkern Ägyptens. Mose brachte vierzig Jahre in der Wüste zu. So muss es mit den Dienern Gottes stets sein. Sie müssen zunächst „erprobt“ werden, und erst, wenn sie „untadelig“ erfunden sind, können sie ihren Dienst antreten (vgl. 1Tim 3,10).
Ein Kind Gottes und ein Diener Christi zu sein, sind zwei ganz verschiedene Dinge. Ich mag mein Kind sehr lieb haben, aber wenn ich es im Garten an die Arbeit stelle, tut es vielleicht mehr Falsches als Gutes. Warum? Etwa deshalb, weil es nicht ein geliebtes Kind ist? Nein, sondern weil es nicht geübt ist. Darin besteht der Unterschied. Verhältnis und Dienst sind zwei verschiedene Dinge. Das heißt nicht, dass nicht alle Kinder Gottes etwas zu tun, zu leiden und zu lernen haben. Sie haben es ohne Zweifel, aber es bleibt stets wahr, dass der öffentliche Dienst und die geheime Zucht in den Wegen Gottes eng miteinander verbunden sind. Jeder, der viel an die Öffentlichkeit tritt, braucht eine demütige Gesinnung, ein gereiftes Urteil, einen unterwürfigen und der Welt abgestorbenen Geist, einen gebrochenen Willen, einen sanften Ton, kurz, all die schönen und sicheren Ergebnisse der geheimen Zucht Gottes, und wir werden sehen, dass alle, die einen hervorragenden Platz einnehmen, ohne diese Eigenschaften in irgendeinem Maß zu besitzen, früher oder später ermatten.