Behandelter Abschnitt Mk 7,11-13
„Ihr aber sagt: Wenn ein Mensch zum Vater oder zur Mutter spricht: Korban (das ist eine Gabe) sei das, was irgend dir von mir zunutze kommen könnte. Und so lasst ihr ihn nichts mehr für seinen Vater oder seine Mutter tun, indem ihr das Wort Gottes ungültig macht durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt; und vieles dergleichen tut ihr“ (V. 11–13).
Beachte die Folge dieser Handlungsweise! Jemand sieht seinen Vater und seine Mutter in Not. Er hat genug an irdischen Gütern empfangen, um ihre Not zu lindern. Doch diese Überlieferungskrämer haben sich einen Plan ausgedacht, die so genannte Religion auf Kosten der Sohnespflicht zu bereichern. Wenn man „Korban“ sagte, dann hatte sich die Verpflichtung vollständig gewandelt. Was den Eltern zustand, musste jetzt dem Priester gegeben werden. Wie groß auch das Bedürfnis von Vater und Mutter sein mochte – das Wort „Korban“ hemmte jede Tätigkeit von Herz und Gewissen. Die religiösen Führer hatten sich diese Formel ausgedacht, um Reichtum für religiöse Zwecke zu gewinnen und die Leute von allen Übungen des Gewissens in Bezug auf das Wort Gottes zu befreien.
Doch der Richter und Herr aller Dinge tritt dem sofort entgegen. Wer hatte ihnen das Recht gegeben zu sagen: „Korban . . . sei das“! Wo hatte Gott eine solche Handlungsweise bestätigt? Und wer waren sie, dass sie es wagten, ihre Gedanken an die Stelle des Wortes Gottes zu setzen? Gott hatte den Menschen aufgefordert, seine Eltern zu ehren. Er verurteilte jede geringschätzige Behandlung ihrer Personen. Hier verstießen Menschen jedoch unter dem Deckmantel der Religion gegen beide Gebote Gottes. Diese Überlieferung bezüglich des Korban-Sagens behandelt der Herr nicht nur als ein Unrecht gegen die Eltern, sondern auch als einen Akt der Widerspenstigkeit gegen das ausdrückliche Gebot Gottes.
Ich für mein Teil habe noch nie von einer Überlieferung, die in eine religiöse Körperschaft eingeführt oder einzelnen Menschen auferlegt wurde, gehört, die nicht dem Wort Gottes widersprach. Das sind die Regeln, die von Menschen in den Dingen Gottes gemacht werden! Tatsächlich haben alle religiösen Gesellschaften ein System, von dem sie nicht einmal behaupten, dass sie es dem Wort Gottes entnommen hätten. (Doch jetzt gibt es Gläubige in der Christenheit, die sich allein auf das Wort Gottes stützen. Solche würden sich nicht herablassen, auf das Niveau einer religiösen Gesellschaft herabzusteigen.)
Ich sage also: Wo immer man Menschen findet, die sich in diesen großen oder kleinen freiwilligen Gesellschaften zusammenschließen, führen sie ein System nach ihren eigenen Vorstellungen ein, um sich von anderen abzugrenzen. Außerdem stellen sie Regeln auf, die nach ihrer Vorstellung notwendig sind, um ihre Gesellschaft zu erhalten und zu vergrößern. Sie erfinden und auferlegen menschliche Regeln, die nicht nur von der Bibel abweichen, sondern ihr auch widersprechen. Gottes Wort ist eine lebendige Wirklichkeit und ein vollständiger Maßstab für die Wahrheit und das praktische Verhalten. Alles, was der Mensch als Ergänzung hinzufügt, ist eine Entstellung. Da es nicht von Gott kommt, kann es nicht in Übereinstimmung mit dem Licht gebracht werden. Der Mensch ist nicht befugt, die Angelegenheiten Gottes zu regeln.
Manche Leute sagen: „Es ist unmöglich, ohne Regeln bezüglich des Dienstes auszukommen. Es geht nicht, dass jeder aufstehen darf, um zu dienen.“ Es sei offen zugegeben, dass, wenn man nicht auf den Heiligen Geist blickt, alles ein Durcheinander wird. Und selbst dort, wo man auf Ihn vertraut, muss man immer Selbstgericht üben, um zu prüfen, warum man dies oder das tut oder sucht. Doch für Gott sind alle Schwierigkeiten gleich. Wenn wir uns dem Wort Gottes beugen, erkennen wir deutlich sowie auch eindeutig, dass es auf der einen Seite ein allgemeines Recht zum Dienst nicht gibt und dass auf der anderen kein Vorgang oder irgendein menschliches Mittel beschrieben wird, um das Recht zum Dienen auf einen Menschen zu übertragen. Nicht die Kirche, sondern Christus – nicht die untergeordnete Frau, sondern der auferstandene Mann und Herr – kann in das Werk der Belehrung der Heiligen oder die Predigt des Evangeliums berufen.
Es überrascht viele, wenn sie hören, dass es keine menschliche Einrichtung gibt, die zur Predigt des Evangeliums bevollmächtigt. Eine einzige Bibelstelle könnte meine Behauptung, wenn sie nicht wahr wäre, widerlegen. Aber keine Schriftstelle kann angeführt werden. Die allgemeine Verfahrensweise in der Christenheit hat nicht die geringste göttliche Grundlage zu ihrer Rechtfertigung. Deshalb müssen die Menschen ihre Zuflucht zur Überlieferung nehmen, die dem klaren Wort Gottes widerspricht. Denn wenn irgendein Christ die Kraft zum Predigen empfangen hat, die nur vom Herrn kommen kann, dann hat er nicht nur die Freiheit, sondern sogar die Verpflichtung zu predigen. Es handelt sich um eine eindeutige Verantwortung gegen Den, vor dessen Richterstuhl wir alle offenbar gemacht werden müssen. Wenn der Herr eine Lampe anzündet, dann will Er nicht, dass sie unter den Scheffel gestellt werde, sondern auf einen Lichtständer. Falls ein Mensch versucht, das Ausfließen der Kraft des Geistes Gottes zu verhindern, dann ist das gefährlich. Wer die Kraft des Heiligen Geistes besitzt, um zu predigen, sollte hingehen und sie benutzen. Wehe ihm, wenn er es nicht tut!
Nehmen wir einen anderen Fall! Im Neuen Testament finden wir nicht, dass ein Mensch einfach durch irgendein menschliches Verfahren abgesondert wird, um die Kirche (Versammlung) zu belehren. Wenn wir jedoch um uns sehen, erkennen wir ein und denselben Grundsatz in einer Mannigfaltigkeit der Formen vom Papst bis zum schreienden Bußprediger. Alle haben sie ihre selbsterdachten Verfahren, durch welche niemand in den Benennungen (Denominationen) dienen darf, er habe denn ihre menschliche Einsetzungszeremonie durchlaufen. Solch ein Ablauf ist ganz und gar ungesund und widerspricht dem Wort Gottes. Darum ist jeder Christ verpflichtet, das Wort Gottes zur Wirksamkeit zu bringen, indem er in jeder Hinsicht das aufgibt, was im Gegensatz zum Wort Gottes steht.
Denkst und sagst du, dass sei zu hart? Dann bist du derjenige, der zu selbstsicher auftritt und nicht ich. Denn ich stelle nicht das vor, was ich nicht beweisen kann. Du hast deine Bibel und kannst sie für dich selbst untersuchen. Man mag jedoch sagen: „Gab es nicht so etwas wie eine Ordinierung?“ Sicherlich gab es so etwas, als Apostel oder apostolische Männer Älteste usw. einsetzten. Und unser Herr sendet noch, wie Er es immer tat, Menschen aus, um das Evangelium zu predigen. Ich behaupte jedoch, dass jeglicher menschliche Ritus, um Seelen die Predigt an die Welt oder die Belehrung der Kirche zu erlauben, eine Überlieferung der Menschen und ein Widerspruch zur Heiligen Schrift ist.
Man findet in der Bibel, dass von den Aposteln Männer eingesetzt wurden, um die Tische zu bedienen. Andere wurden von den Aposteln oder ihren Beauftragten ausgewählt, um eine gewisse Aufsicht zu führen. Einige wurden „Älteste“ und andere „Diener“ (Fußnote: Diakone) genannt; doch weder die einen, noch die anderen waren notwendigerweise Prediger oder Lehrer. Es ist ein Missgriff, wenn man Älteste und Diener (Diakone) mit Dienern des Wortes Gottes als solchen verwechselt. Die Gläubigen, welche Evangelisten, Hirten oder Lehrer waren, übten ihre Gabe nicht deshalb aus, weil sie zu Ältesten oder Dienern gemacht worden waren, was sie meistens gar nicht waren, sondern weil sie die Fähigkeit von Gott hatten, zu predigen, zu lehren oder zu führen. Wenn man diese Gaben mit dem Amt eines Ältesten verwechselt, ist das ein großer Fehler. Nachdem wir diesen Unterschied einmal erkannt haben, erhellt das den Weg und führt uns entweder von den überlieferten Wegen der Christenheit weg oder, wenn man nicht gehorcht, in den Bereich des Tadels unseres Herrn.
Mögen wir alle es tief in unser Herz fassen, wie sehr wir gegen den Geist der Überlieferung zu wachen haben! Immer wenn wir etwas mit unbedingter Autorität auferlegen und für verbindlich erklären, das nicht von Gott kommt, ist es eine Überlieferung. Es ist sehr gut, voneinander Rat anzunehmen; und es ist keine glückliche Aufgabe, anderen unnötigerweise entgegenzutreten. Andererseits ist es von größter Wichtigkeit, dass wir uns gegenseitig in der Überzeugung stärken, dass außer dem Wort Gottes nichts das Recht hat, die Gewissen zu beherrschen. Man wird herausfinden, dass immer, wenn wir diesen Grundsatz verlassen und gestatten, dass eine menschliche Regel entsteht und bindend wird, wir nicht mehr unter der Autorität des Wortes Gottes stehen. Wenn jede Handlung, die nicht dieser Regel entspricht, als Sünde angesehen wird, dann haben wir den Weg der Überlieferung betreten, ohne es vielleicht zu wissen.
Der Herr zeigt hier in überzeugender Weise, wo diese Pharisäer und Schriftgelehrten standen. Sie hatten nie überlegt, dass ihr Prinzip des „Korban“ das Wort Gottes aufhob. Wir sollten jedoch noch einen anderen Grundsatz gut beachten, nämlich dass wir, nachdem uns irgendeine göttliche Wahrheit nachdrücklich vorgestellt worden ist, nicht mehr dieselben sind wie vorher. Bis dahin mochten wir ehrlich und wirklich unwissend sein. Von da an stehen wir unter dem verstärkten Joch der nun erkannten Gedanken Gottes, welche wir entweder im Glauben annehmen oder im Unglauben zurückweisen, wobei wir in dieser Abweisung unser Gewissen verhärten. Deshalb lasst uns auf den Herrn blicken, damit wir ein gutes Gewissen pflegen. Das setzt allerdings voraus, dass nichts, was mit dem Willen Gottes unvereinbar ist, vor uns steht, dem wir anhangen oder das wir erlauben. Mögen wir nichts wünschen oder wertschätzen, als nur das, was dem Wort Gottes entspricht; denn sonst kann es jedem von uns leicht geschehen, dass wir da stehen bleiben, wo Christus diese Pharisäer lässt, nämlich unter dem schrecklichen Tadel, dass sie das Wort Gottes ungültig machten durch ihre Überlieferung. Wenn hier nur ein Beispiel besprochen wurde, dann war es ein ausreichendes Muster davon, wie die Pharisäer ständig handelten.
Jetzt kommen wir zu einem anderen Thema – dem Zustand des Menschen. Zuerst wurde uns gezeigt, dass eine Religion ohne Christus nur Heuchelei ist und dass ein Eingriff des Menschen in göttliche Dingen damit endet, dass man das Wort Gottes beiseite setzt, um die eigene Überlieferung zu halten. Als nächstes sehen wir, was der Mensch, sei er religiös oder nicht, ist.