Behandelter Abschnitt Mk 5,2-5
Wir haben hier wieder eine Entfaltung des Dienstes Jesu. In diesem Kapitel geht es nicht einfach um den Dienst des Wortes mit seinen verschiedenen Hindernissen und Maßen des Erfolges, so wie Gott ihn in lebengebender Macht und durch Fruchtbarkeit zu bewirken liebt – und zwar bis zum Ende. Es ist auch nicht ein Bild von den sturmumtosten Jüngern mit Jesus unter ihnen in ihrer Gefahr. Obwohl Er diese gar nicht zu beachten schien, bevor man sich an Ihn wandte, war Er doch die ganze Zeit über die Sicherheit für sein Volk.
Jetzt sehen wir einen anderen Gegenstand, nämlich den Dienst Jesu in Gegenwart der Macht Satans und des Eingeständnisses der äußersten Schwachheit und des Elends der menschlichen Natur. Das ist in der Tat eine lehrreiche Lektion; denn wir erkennen nicht nur die siegreiche Macht Dessen, der in Schwachheit gekreuzigt wurde, sondern auch das Ausmaß der Befreiung. Letztere sehen wir in dem Menschen, der zuerst von der Sklaverei Satans befreit wurde und danach ein wirksamer Zeuge an andere von der Größe und Macht des Herrn zugunsten anderer wird. Es geht hier nicht um Sünde oder die Begierden des Fleisches und der Welt. Wir wissen, wie unablässig Gott vor menschlicher Gewalttat und Verderbnis bzw. ihren Folgen bewahrt.
In Legion haben wir jedoch mehr die direkte Wirksamkeit Satans, die wir nirgendwo gewaltsamer sehen als hier. Die Menschen glauben gewöhnlich nicht daran; und wenn sie zugeben, dass Satan so wirken kann, dann möchten sie es auf die Zeit, während Christus auf der Erde war, beschränken. Dass sich wahrscheinlich die Macht Satans im Widerstand gegen den Sohn Gottes, als Er hienieden war, besonders stark erhob, ist eine ganz andere Sache; und ich glaube daran. Doch es ist ein großer Irrtum, wenn man annimmt, dass die Macht des Teufels damals tatsächlich so stark erschüttert wurde, dass später keine Fälle einer dämonischen Besessenheit mehr auftreten konnten.
Das Neue Testament widerlegt diese Täuschung. Nachdem Christus gestorben und auferstanden war (dieses Ereignis sollte eigentlich die Macht Satans mehr als irgendein anderes vernichtet haben!), beauftragte Er seine Jünger, das Evangelium zu predigen. Dabei sollten die folgenden Zeichen ihre Predigt begleiten: „I n meinem Namen werden sie Dämonen austreiben“ (Mk 16,17). Und in der Apostelgeschichte finden wir dieses Wort bestätigt. „Und sie brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte, die alle geheilt wurden“ (Apg 5,16). Das geschah sogar nach dem Herabkommen des Heiligen Geistes.
Dieses gewaltige Ereignis, welches der Erlösung folgte, beendete also keineswegs als solches alle Fälle von Besessenheit. Diese Macht war auch nicht auf Petrus und die übrigen Apostel beschränkt; denn ähnliche Kraft begleitete auch Philippus, den Evangelisten, in Samaria. „Denn von vielen, die unreine Geister hatten, fuhren sie aus, mit lauter Stimme schreiend; und viele Gelähmte und Verkrüppelte wurden geheilt“ (Apg 8,7). Ich brauche mich nicht bei solch ernsten Fällen aufzuhalten wie dem des wahrsagenden Mädchens in Philippi (Apg 16,16-18) oder dem Besessenen in Ephesus (Apg 19,13-16), wo die Söhne Skevas zu ihrem Schaden einen Beweis davon erhielten; sie sind ja gut bekannt.
In Wirklichkeit gilt der große Sieg Christi für den Glauben und zur Befreiung und Freude der Kirche (Versammlung). Ohne Zweifel wurde dieser Sieg der Welt reichlich in übernatürlichen Zeichen bezeugt. Bald wird die Macht des Sieges benutzt, um zuerst Satan zu binden und später für immer niederzuwerfen. In der Zwischenzeit ist jedoch die Kirche der Ort, wo der Sieg und die Macht Christi durch den Heiligen Geist verwirklicht wird. Die Welt ist nicht im Geringsten besser geworden und zeigt sich weiter von Gott entfernt als jemals zuvor. Satan erwies sich im Kreuz Christi eindeutig als ihr Fürst und Gott.
Aus diesem Grund kann die Welt aber auch zur jetzigen Zeit ein Schauplatz für das vollständigste Zeugnis der Gnade Gottes im Namen des Gekreuzigten sein. Das Evangelium, welches so überreich ausgesandt wird, um aus der Welt herauszusammeln – beachte, ich sage nicht, „um zu segnen“, sondern „um herauszusammeln“, – betrachtet die Welt als schon verurteilt. Sie hat nur noch das schonungslose Gericht zu erwarten, wenn Jesus vom Himmel her offenbart wird. Deshalb ist die Absonderung von der Welt die oberste Pflicht und der einzig richtige Weg für den Christen. Die Schuld am Blut Jesu liegt auf der Welt. Der einzige Fluchtweg für jede Seele besteht im Glauben an jenes Blut, welches, indem es ihn zu Gott bringt, den Gläubigen dem Grundsatz nach aus der Welt heraus und weit über ihren Bereich hinaus führt.
Das ist die Grundlage, das Verlangen und der Wandel des Glaubens. Darum ist auch der Gedanke an eine Besserung der Welt und des Menschen als solchen eine praktische Leugnung des Evangeliums und eine tiefe, wenn auch in vielen Fällen unabsichtliche Verunehrung des Herrn Jesus. Keine Unwissenheit kann das Zulassen solcher Gedanken rechtfertigen; und je mehr Erkenntnis von der göttlichen Wahrheit vorhanden ist, umso schuldiger sind solche Menschen. Die Gnade Gottes setzt den vollständigen Ruin der Gegenstände der Gnade voraus. Und die Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her wird die göttliche Rache an jenen vollziehen, die ihre Sünde und ihren Ruin nicht fühlen und seine Gnade verachten.
Markus beschreibt also in den Einzelheiten und sehr anschaulich die Qual dieses Menschen mit einem unreinen Geist.
„Und als er aus dem Schiff gestiegen war, kam ihm sogleich aus den Grüften ein Mensch mit einem unreinen Geist entgegen, der seine Wohnung in den Grabstätten hatte; und selbst mit Ketten konnte ihn niemand mehr binden, da er oft mit Fußfesseln und mit Ketten gebunden gewesen war und die Ketten von ihm in Stücke zerrissen und die Fußfesseln zerrieben worden waren; und niemand vermochte ihn zu bändigen“ (V. 2–5).
Auffallend sind hier die Einsamkeit am Ort des Todes, die Ablehnung menschlichen Zwanges und Einflusses und die Unruhe und Grausamkeit dessen, was ihn besessen hielt. Aber nicht weniger bedeutsam ist die Anerkennung einer höheren Macht und Herrlichkeit in Jesus.