Behandelter Abschnitt Psalm 10
schildert seinem Hauptinhalt nach den Zustand der Dinge in den letzten Tagen, bis Jehova zum Gericht aufsteht, und im Besonderen den Charakter des Gesetzlosen (denn an seinem Charakter wird er erkannt), und dieser Charakter wird besonders in dem Juden gefunden. Man vergleiche Jesaja 40-48 mit Jes 49-58; in dem einen Abschnitt ist besonders von Abgötterei und Babel die Rede, in dem anderen von der Verwerfung des Messias - den zwei Hauptsünden (gegen Jehova und Seinen Gesalbten), die das Gericht über die Juden bringen. Der Gesetzlose handelt in seinem Stolz nach dem Sichtbaren, während der Gerechte durch den Glauben an das, was Jehova ist, durch den Glauben an Ihn, in seinem Tun geleitet wird. Der Gesetzlose rühmt sich des Gelüstes seiner Seele und schätzt den glücklich, welchen Jehova verabscheut. Er verfolgt gewissenlos seine Pläne, indem er den Elenden durch List zu verderben sucht, und denkt, dass Gott denselben vergessen habe. Wie gut kann Christus dem Überrest in diesen Umständen helfen! Die Elenden schreien unter dem Druck; warum steht Jehova fern und verbirgt Sich in der Zeit der Drangsal? Freilich sind diese Elenden noch weit entfernt von den Leiden, in denen Christus Sich befand; doch geht sozusagen der Schatten dieser Leiden über sie hin; aber sie können auf Gott hoffen. So rufen sie in Vers 12 zu Gott, dass Er Seine Hand erheben und der Elenden nicht vergessen möge; warum sollte der Gesetzlose Gott verachten? Jehova hat es gesehen und wird vergelten; der Arme übergibt sich Ihm.
Der Schluss des Psalmes, von Vers 16 an, rühmt das Eingreifen Jehovas als Antwort auf das Schreien der Elenden sowie die daraus entstehenden Folgen. „Jehova ist König immer und ewiglich; die Nationen sind umgekommen aus seinem Lande.“ Das ist das öffentliche Gericht. Dann kommt das Geheimnis Jehovas: „Den Wunsch der Sanftmütigen hast du gehört.“ Er hat ihr Herz befestigt, und dann hat Sein Ohr aufgemerkt; und die Folge davon ist das Gericht, indem Er Richter ist für die Waise und den Unterdrückten, damit der Mensch, der von der Erde ist - der, welcher seine Kraft und Hoffnung auf der Erde hat -, hinfort nicht mehr schrecke.
Noch mögen einige andere Bemerkungen über die beiden Psalmen, die wir soeben betrachtet haben, hier Platz finden. Außer dem armen, unterdrückten Überrest, der auf Gott harrt, begegnen wir hier noch zwei, in gewissem Sinne drei Klassen von Personen, zunächst haben wir die Heiden (gojim), die Israel fremd, seine Unterdrücker und Gottes Feinde sind, und dann die Gesetzlosen, die, wie wir gesehen haben, vornehmlich den Juden entstammen. Wenn ich von drei Klassen rede, so denke ich an die zwiefache Weise, in der von den Gesetzlosen die Rede ist. Im allgemeinen wird von dem Gesetzlosen (Einzahl) gesprochen, in Psalm 10 überall, in Psalm 9 ebenfalls, ausgenommen in Vers 17. Hier steht das Wort in der Mehrzahl, um zu zeigen, dass alle Gesetzlosen ihren Platz in dem Scheol finden werden. Wenn es in der Einzahl steht, so bezeichnet es, wie ich glaube, den Charakter; doch zweifle ich nicht daran, dass es in besonderem Sinne einen Gesetzlosen geben wird (harascha), den Antichrist, der aber hier sicher nur nach seinem Charakter bezeichnet wird, nicht durch eine bestimmte Prophezeiung betreffs seiner Person. Die Gesetzlosigkeit ist offenbart, nicht aber der Gesetzlose, und sie ist nicht auf einen einzelnen beschränkt. Die Ähnlichkeit mit den Umständen, in denen Sich Christus in Seiner Verwerfung auf der Erde befand, tritt klar hervor, wie dies bei allen Formen der Gesetzlosigkeit der Fall ist; sogar die Dreieinheit im Bösen (Satan, das Tier und der falsche Prophet) ist im Buche der Offenbarung nachgeahmt. Man findet dort ferner die Stadt des Verderbens, die Braut Christi usw.
Mit Ausnahme des zweiten Psalmes, in dem der Messias der Ratschlüsse Gottes vor unsere Blicke tritt, ist uns bisher der Gerechte in charakteristischen Zügen vor Augen gemalt worden, und deshalb war es auch nötig, den Charakter der ganzen Klasse der Gegner Jehovas und Seines Christus zu zeichnen, obwohl dieser Charakter in einer einzelnen Person besonders zum Ausdruck kommen mag. Der Überrest muss alle nach diesem Charakter beurteilen.
Bemerken wir ferner, dass diese Gesetzlosen mit den Heiden gerichtet werden; sie fallen alle zusammen unter dasselbe Gericht. „Es werden zum Scheol umkehren die Gesetzlosen, alle Nationen, die Gottes vergessen“ (Ps 9,17). So auch in Vers 5: „Du hast die Nationen gescholten, den Gesetzlosen vertilgt.“ Psalm 9 ist, wie wir gesehen haben, die allgemeine Darstellung des Eingreifens Jehovas im Gericht. In Psalm 10 haben wir besonders die Leiden und Trübsale, durch die der Überrest innerlich zu gehen haben wird. Daher finden wir hier den Gesetzlosen, aber nicht die Nationen, bis zur Ausführung des Gerichts in Vers 16, wo auch von ihnen gesagt wird, dass sie aus dem Lande Jehovas umgekommen sind, um so zu zeigen, dass dieses Gericht dasselbe ist, wie in den allgemeinen Darstellungen des 9. Psalmes. Wie völlig alles dieses der Geschichte der letzten Tage entspricht, braucht kaum gesagt zu werden.