Hermann Menge (1841-1939)
Versliste
Hierauf setzte Jakob seine Wanderung fort und gelangte in das Land, das gegen Osten lag.
Als er sich dort umsah, gewahrte er auf dem Felde einen Brunnen, an dem gerade drei Herden Kleinvieh lagerten; denn aus diesem Brunnen pflegte man die Herden zu tränken; über der Öffnung des Brunnens aber lag ein großer Stein.
Diesen wälzte man erst dann, wenn alle Herden dort zusammengetrieben waren, von der Brunnenöffnung ab und tränkte das Kleinvieh; darauf legte man den Stein wieder zurück an seinen Platz über der Öffnung des Brunnens.
Da sagte Jakob zu den Leuten: „Meine Brüder, woher seid ihr?“ Sie antworteten: „Wir sind aus Haran.“
Hierauf fragte er sie: „Kennt ihr Laban, den Sohn Nahors?“ Sie antworteten: „Ja, den kennen wir.“
Da fragte er sie: „Geht es ihm gut?“ Sie erwiderten: „Ja; und da kommt gerade seine Tochter Rahel mit dem Kleinvieh!“
Da sagte er: „Es ist ja noch hoch am Tage, und noch ist’s nicht die Zeit, das Vieh zusammenzutreiben; tränkt doch das Kleinvieh und lasst es dann wieder weiden!“
Sie antworteten: „Das können wir nicht, bis alle Herden beisammen sind; dann erst wälzt man den Stein von der Öffnung des Brunnens ab, und wir tränken das Kleinvieh.“
Während er noch mit ihnen redete, war Rahel mit dem Kleinvieh ihres Vaters herangekommen; denn sie war eine Hirtin.
Sobald nun Jakob Rahel, die Tochter seines Oheims Laban, und das Kleinvieh seines Oheims Laban erblickt hatte, trat er hinzu, wälzte den Stein von der Brunnenöffnung ab und tränkte das Kleinvieh seines Oheims Laban.
Dann küsste er Rahel, weinte laut
und teilte ihr mit, dass er ein Neffe ihres Vaters, und zwar ein Sohn Rebekkas, sei; da eilte sie weg und berichtete es ihrem Vater.
Dann betete er: „O HERR, du Gott meines Herrn Abraham! Lass es mir doch heute glücken und erweise meinem Herrn Abraham Gnade!
Siehe, ich stehe jetzt hier bei der Quelle, und die Töchter der Stadtbewohner werden herauskommen, um Wasser zu holen.
Wenn ich nun zu einem Mädchen sage: ‚Neige, bitte, deinen Krug, damit ich trinke!‘ und sie mir dann antwortet: ‚Trinke! Und auch deinen Kamelen will ich zu trinken geben!‘, so möge diese es sein, die du für deinen Knecht Isaak bestimmt hast; und daran will ich erkennen, dass du meinem Herrn Gnade erwiesen hast.“
während jener ihr verwundert zusah, ohne jedoch ein Wort zu sagen, um zu erkennen, ob der HERR Glück zu seiner Reise gegeben habe oder nicht.
Da verneigte sich der Mann, warf sich vor dem HERRN nieder
und rief aus: „Gepriesen sei der HERR, der Gott meines Herrn Abraham, der seine Güte und Treue meinem Herrn nicht entzogen hat! Gerades Weges zum Hause des Verwandten (= des Bruders) meines Herrn hat mich der Ewige geführt!“
Nun bin ich heute zu der Quelle gekommen und habe gebetet: ‚O HERR, du Gott meines Herrn Abraham! wenn du doch Glück zu der Reise geben möchtest, auf der ich mich jetzt befinde!
Siehe, ich stehe jetzt hier an der Quelle. Lass es doch geschehen, dass das Mädchen, das herauskommt, um Wasser zu holen, und zu der ich sage: Gib mir, bitte, ein wenig Wasser aus deinem Kruge zu trinken!,
dass die mir dann antwortet: Trinke du selbst, und auch für deine Kamele will ich Wasser schöpfen! – so möge diese es sein, die Gott der HERR dem Sohne meines Herrn zur Frau bestimmt hat!‘
Ich hatte dieses bei mir noch nicht zu Ende geredet, da kam auch schon Rebekka aus dem Orte heraus mit ihrem Kruge auf ihrer Schulter; sie stieg zur Quelle hinab und schöpfte Wasser. Da bat ich sie: ‚Gib mir, bitte, zu trinken!‘
Sogleich ließ sie ihren Krug (von der Schulter) herab und sagte: ‚Trinke, und auch deinen Kamelen will ich zu trinken geben!‘ Da trank ich, und sie tränkte dann auch die Kamele.
Hierauf fragte ich sie, wessen Tochter sie sei, und sie antwortete: ‚Die Tochter Bethuels, des Sohnes Nahors, den Milka ihm geboren hat.‘ Da legte ich ihr den Ring an die Nase und die Spangen an ihre Arme;
dann verneigte ich mich vor Gott dem HERRN, warf mich vor ihm nieder und pries den HERRN, den Gott meines Herrn Abraham, der mich den rechten Weg geführt hatte, um die Tochter des Verwandten (= Bruders) meines Herrn für seinen Sohn zu gewinnen.
Sobald der Knecht Abrahams diese ihre Worte gehört hatte, verbeugte er sich vor Gott dem HERRN bis auf die Erde;
und war gegen Abend aufs Feld hinausgegangen, um mit seinen Gedanken allein zu sein. Als er nun aufblickte, sah er auf einmal Kamele daherkommen.